Wolfsburg. Experten wie Elsa Nickel begrüßen die Ausbreitung des Raubtiers. Doch auch negative Folgen sind zu erwarten.

Unsere Leserin Jessica Westermann schreibt uns bei Facebook:

Wir sollten uns glücklich schätzen, dass diese wundervollen Tiere sich hier wieder etwas ausbreiten.

Zum Thema recherchierte Johannes Kaufmann

Auch den Wolf betrifft der Abgas-Skandal rund um Volkswagen. Eigentlich sollte Jochen Flasbarth bei der internationalen Wolfskonferenz des Naturschutzbundes (Nabu) in Wolfsburg über den „Wolf aus Sicht der Bundesregierung“ sprechen. Doch der Staatssekretär im Bundesumweltministerium musste wegen des Skandals kurzfristig absagen. Auch VW-Cheflobbyist Thomas Steg verzichtete auf das im Programm angekündigte Grußwort. Dennoch ließen Nabu-Präsident Olaf Tschimpke und Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel es sich nicht nehmen, einige kritische Worte an den Gastgeber zu richten (siehe dazu den Artikel auf unserer Antworten-Seite). Die Konferenz findet auf dem Mobile Life Campus von Volkswagen statt. Tschimpke ging sogar so weit, die Zusammenarbeit mit VW beim Umweltschutz grundsätzlich infrage zu stellen. Dann sollte es aber doch noch um den Wolf gehen. Minister Wenzel begrüßte die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland, ging aber auch auf „die Sorgen und Ängste der Menschen ein“ und versprach: „Die Sicherheit des Menschen steht für uns immer an erster Stelle.“ Das betonte auch Elsa Nickel, Leiterin der Abteilung Naturschutz im Bundesumweltministerium, die Staatssekretär Flasbarth vertrat. Falls ein Wolf als verhaltensauffällig eingestuft werde, dürfe er von den zuständigen Behörden zum Abschuss freigegeben werden. Eine Änderung des Jagdrechts sei dafür nicht notwendig.

Es gehe ihr aber vor allem darum „Emotionen und Ängste zu versachlichen“. Die Aussage ihre Vortrags war deutlich: Die Bundesregierung sieht es so wie unsere Leserin und begrüßt die Tatsache, „dass vormals bei uns ausgerottete Tiere auf natürlichem Wege wieder zuwandern“. Die Rückkehr des Wolfes – aus Sicht der Bundesregierung ein Glücksfall. Doch trotz zunehmender Ausbreitung sei der Wolf noch immer stark gefährdet und stehe daher unter Schutz. Zurzeit leben etwa 30 Rudel in Deutschland. Sowohl vor der Verteufelung wolle sie warnen, als auch vor der Verklärung, sagte Nickel. Schließlich sei der Wolf ein Raubtier, für das Schafe und Ziegen besonders leichte Beute seien. Dennoch: „Herdenschutz kann mit einem gewissen Mehraufwand funktionieren“, auch wenn das in manchen Gebieten durchaus schwierig sei, wie Nickel eingestand. Deswegen unterstützen die Behörden Nutztierhalter mit Informationen, Wolfsberatern und notfalls mit Kompensationszahlungen, sollten Nutztiere trotz ausreichender Schutzmaßnahmen gerissen werden. Der allgemein positiven Grundstimmung auf der Konferenz zur Rückkehr des Wolfes setzten die wissenschaftlichen Referenten aber auch einige nachdenkliche und auch kritische Anmerkungen gegenüber, etwa zur enormen Anpassungsfähigkeit von Wölfen. Dr. L. David Mech berichtete von den Erkenntnissen aus der Wiederansiedlung von Wölfen im Yellowstone Nationalpark in den USA, an der er selbst beteiligt gewesen ist. Die Wölfe hätten sich wegen des reichhaltigen Nahrungsangebots im Nationalpark enorm schnell vermehrt und ausgebreitet. „Die Wolfspopulation wird allein durch das Nahrungsangebot begrenzt“, so Mech in seinem Vortrag. Damit widersprach er der Aussage von Elsa Nickel, dass die Wolfsdichte in Gebieten mit etablierten Rudeln nicht steigen könne, weil die Konkurrenz unter den Wölfen dies verhindere.

Das gelte aber nur, wenn die Nahrung nicht reiche, stellte Mech klar. Im Yellowstone-Park seien Wolfsrudel wegen der riesigen Herden von Wapiti-Hirschen zwischenzeitlich auf eine Größe von 37 erwachsenen Tieren angewachsen. Die Hirschpopulation sei von den Wölfen enorm reduziert worden – von bis zu 19 000 auf etwa 4000 Tiere. Mech warnte vor der Polarisierung der Debatte, die auf beiden Seiten zu „Propaganda“ führe. Die Gegner behaupten: „Der Wolf hat Freude“. Das sei Unsinn, der Wolf töte, um zu fressen. Auf der anderen Seite stünden unhaltbare Behauptungen wie die, dass der Wolf die Flüsse rette.

Dass auch Pro-Wolf-Gruppen ideologisch handelten, zeige das Beispiel der Wiederansiedlung in den USA. Dort sollten Wölfe von der Liste bedrohter Tierarten genommen werden, sobald ein Bestand von 300 Tieren erreicht sei. Das hätte es den Bundesstaaten ermöglicht, die Populationen anschließend zu kontrollieren. Doch, so schilderte es Mech, die Umweltgruppen klagten später gegen die Vereinbarung, die sie selbst verhandelt hatten und erreichten, dass der Wolf weiterhin geschützt blieb. Die Folge war eine rasante Ausbreitung. „Als später dann 2000 Wölfe geschossen wurden, hatte das keinen großen Effekt mehr auf die Population“, sagte Mech. Während Elsa Nickel erklärte, beim Wolf sei kein Management nötig, denn „die Natur macht das alles von selber, und sie macht das wunderbar“, hielt David Mech dagegen, das Management von Wolfspopulationen sei unabdingbar. „Koexistenz von Mensch und Wolf ist möglich“, sagte der Amerikaner, aber das bedeute immer, dass Wölfe durch die Hand von Menschen sterben, legal oder illegal. Das bestätigten auch die Statistiken von Professor Heribert Hofer vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung: Selbst im noch relativ dünn von Wölfen besiedelten Deutschland sterben nur wenige Tiere an natürlichen Ursachen. Etwa zwei Drittel werden bei Verkehrsunfällen getötet. Mit 16 Prozent sind illegale Tötungen Todesursache Nummer zwei.

Einen weiteren Artikel über eine mutmaßliche Wolfsattacke im Landkreis Peine lesen Sie hier.