Braunschweig. Künstliche Gelenke halten nur eine bestimmte Zeit. Sind sie locker oder mit einem Keim infiziert, muss der Arzt sie austauschen.

Ein künstliches Gelenk soll Betroffenen das Leben erleichtern. In den meisten Fällen handelt es sich bei den eingesetzten Endoprothesen um künstliche Hüft- und Kniegelenke – etwa 400 000 werden jährlich in Deutschland implantiert. Doch manchmal versagt der Gelenkersatz seinen Dienst und muss ausgetauscht werden. Warum solche Wechseloperationen – sogenannte Revisionen – nötig werden, hat viele Gründe. Manchmal kann ein (Sport-)Unfall die Ursache sein, oft sind reguläre Vorgänge im Inneren des Körpers Grund für den Wechsel. Der häufigste Anlass für eine Revision sei die Lockerung des Gelenks, sagt Professor Thomas Gösling, Leiter der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie im Städtischen Klinikum Braunschweig. Dazu kommt es, wenn sich die Verbindung zwischen Knochen und künstlichem Gelenkteil löst. Dafür können Krankheitskeime verantwortlich sein, oft ist es aber der Körper selbst: „Auch der Knochen ist ein lebendiges Gewebe“, sagt Gösling. Das heißt: Baut sich der Knochen ab, lockert sich das Gelenk, das darin verankert ist. Eine weitere Ursache für Wechseloperationen sind bakterielle Infektionen. „Infektionen sind aber recht selten. Ihre Häufigkeit liegt bei etwa zwei Prozent. Sie können kurz- oder mittelfristig auftauchen, also direkt nach der Operation oder erst ein Jahr später“, sagt Gösling.

„Mein rechtes Knie wurde ein Jahr nach der Operation plötzlich dick und tat sehr weh.“
„Mein rechtes Knie wurde ein Jahr nach der Operation plötzlich dick und tat sehr weh.“ © Anne-Katrin Dörries-Pramann hatte eine infizierte Knieprothese

Für den Patienten sei die Infektion eines künstlichen Gelenks der Supergau, sagt der Chefarzt. Was es bedeutet, wenn das Gelenk mit Keimen infiziert ist, hat die Braunschweigerin Anne-Katrin Dörries-Pramann erlebt. Die 51-Jährige leidet seit 30 Jahren an Rheuma. Eine Spätfolge der jahrelangen Medikamenteneinnahme ist eine Osteoporose. Mit 36 Jahren bekam sie daher in beiden Beinen Knieprothesen. Nach einem Unfall mit Trümmerbrüchen musste sie 2012 erneut operiert werden – die künstlichen Gelenke wurden ausgetauscht. „Im Sommer 2013 wurde mein rechtes Knie plötzlich dick und es tat sehr weh. Ich dachte, ich hätte mein Bein einfach überanstrengt. Die Operation lag schon so lange zurück“, erinnert sich die Braunschweigerin. „Infektionen machen sich durch Schmerzen direkt bemerkbar. Bei Lockerungen kann es geschehen, dass der Patient erst gar keine Beschwerden hat. Deshalb sind regelmäßige Kontrollen sehr wichtig“, rät Gösling Prothesenträgern. Im Städtischen Klinikum Braunschweig entnahmen die Ärzte Flüssigkeit aus dem Knie der Patientin und machten einen Test. „Wir haben einen Hautkeim nachgewiesen“, erinnert sich Gösling. Dieser verursache an Implantaten einen Biofilm und sei dadurch mit Antibiotika nicht zu bekämpfen, erklärt der Chefarzt.

Das therapeutische Vorgehen bei einer Protheseninfektion ist abhängig vom Alter des Implantates. „Bei Infektionen in den ersten Wochen nach einer Prothesenversorgung reicht es zum Teil aus, dass wir spülen und somit das Gelenk nicht rausnehmen müssen“, sagt Gösling. In diesem Fall war jedoch eine erneute Operation und das Auswechseln des Gelenkersatzes die einzige Therapiemöglichkeit. Anne-Katrin Dörries-Pramann musste 2013 erneut operiert werden. „Während der Operation wird die infizierte Prothese ausgebaut, die Wunde gereinigt und ein Platzhalter implantiert. Nach der vollständigen Ausheilung des Infekts unter einer etwa vier- bis zwölfwöchigen Antibiotikatherapie wird eine neue Gelenkprothese eingebaut“, erklärt Gösling. Anne-Katrin Dörries-Pramann war wochenlang ans Krankenhausbett gefesselt und bekam Schmerzmittel. Heute kann die 51-Jährige wieder laufen – und vor allem lachen. Chefarzt Gösling rät Prothesenträgern, den behandelnden Arzt bei Eingriffen wie einer Zahnbehandlung oder Darmspiegelung darauf hinzuweisen, dass sie ein künstliches Gelenk haben. „Dann kann man prophylaktisch vor dem Eingriff Antibiotika geben, um eine bakterielle Infektion zu vermeiden“, sagt Gösling.

VORTRAG

Das Klinikum Braunschweig lädt am Mittwoch, 9. September, um 18 Uhr zum Vortrag, „Arthrose: Hüfte und Knie“ in das Haus der Wissenschaft, Pockelsstraße 11 in Braunschweig, ein.

Professor Dr. Thomas Gösling informiert über künstlichen Gelenkersatz. Das ist der letzte Schritt, wenn nicht-operative Maßnahmen ausgereizt und auch ein gelenkerhaltender Eingriff nicht mehr möglich ist. Gösling spricht über die Diagnostik und mögliche Therapieverfahren. Vor allem die Fragen, ob und wann ein künstliches Gelenk erforderlich ist, erläutert er in seinem Vortrag. Der Eintritt ist frei.