Braunschweig. Was ist in der Luft erlaubt? Projekte wie die Foto-Drohne „Nixie“ haben die Diskussion neu entfacht.

Junge Menschen steigen Berge hoch oder rasen mit dem Mountainbike durchs Dickicht. Der ideale Moment für ein Foto – und wie von selbst steigt „Nixie“ in die Luft. Die Drohne schießt sekundenschnell Bilder von den Abenteurern – so die Werbung.

„Unsere Flugsysteme werden auch zum Technologietransfer genutzt.“
„Unsere Flugsysteme werden auch zum Technologietransfer genutzt.“ © Philipp Schnetter, Diplom-Ingenieur von der TU-Braunschweig.

„Nixie“ sieht aus wie eine Armbanduhr, verwandelt sich aber mit wenigen Handgriffen in eine Mini-Foto-Drohne. Aus dem Band werden Propeller und „Nixie“ steigt auf Knopfdruck in die Höhe, macht Selfie-ähnliche Bilder von seinem Träger und kehrt wieder zu ihm zurück. So die Theorie, die „Nixies“ Väter, ein Team um den deutschen Physiker Christoph Kohstall, in ihrem Werbevideo demonstrieren. Kohstall, derzeit an der US-Eliteuniversität in Stanford tätig, hat sich damit für den vom Technologiekonzern Intel gestifteten Innovationswettbewerb „Make it Wearable“ angemeldet und international für Aufsehen gesorgt. Sollte Kohstall gewinnen, kann er sich auf 500 000 Euro Prämie freuen – und sich die Gesellschaft einmal mehr die Frage stellen, wie stark die Technik ihre Zukunft beherrschen wird. Oder soll.

Dass es grundsätzlich möglich ist, Flugobjekte wie „Nixie“ zu programmieren, ist für Philipp Schnetter längst keine Utopie mehr. Der Diplom-Ingenieur arbeitet an der TU Braunschweig im Institut für Flugführung und hat selbst schon so manches Flugzeug in die Luft steigen lassen: „Bei den unbemannten Luftsystemen unterscheiden wir zwischen zwei Typen: solche, die vom Boden aus von einem Menschen gesteuert werden und solche, die komplett automatisch fliegen.“

Mit Wegpunkten werden unsichtbare Routen gezogen

Um Letztere geht es: Flugobjekte, die einzig auf die Technik hören. Auf eine Software in ihrem Inneren, die sie wie ein Autopilot lenkt. Lediglich Wegpunkte auf dem Boden dienen als Orientierung und geben dem unbemannten Flugobjekt die Route vor – in „Nixies“ Fall eben das Losfliegen und Landen am Handgelenk des Nutzers. Doch es wäre auch denkbar, ganze Städte oder Länder mit Wegpunkten zu versehen und sie so mit einem unsichtbaren Netz an Flugrouten zu überziehen. Dieses könnte genutzt werden, um die Drohnen beispielsweise als Transporteure von Post und Pizza zu verwenden. Erste Tests der DHL, die ihre Pakete so auf Nordseeinseln liefern ließ, verliefen störungsfrei.

Dennoch stehen dem Einsatz im Alltag noch hohe Hürden im Weg: „Technisch gesehen ist das alles sehr gut möglich, die Gesetze geben es aber noch nicht her“, weiß Schnetter. Auch die DHL benötigte für jeden Flug eine Sondergenehmigung.

Wer eine Drohne starten möchte, braucht viele Genehmigungen

Und Flugmodelle wie „Nixie“ würden vermutlich ohnehin nicht als kommerzielle Flugsysteme, sondern als Freizeitgegenstand eingestuft werden. Um sie steigen zu lassen, bedarf es nicht nur einer Haftpflichtversicherung, sondern ebenfalls mehrerer Genehmigungen: „Ein Nutzer braucht dafür zunächst die Zustimmung des Grundstücksbesitzers“, erklärt Henrik Gerlach, Rechtsanwalt des Deutschen Modellflieger-Verbandes. Wer „Nixie“ also auf einer öffentlichen Straße steigen lassen möchte, bräuchte zuvor die Erlaubnis der Gemeinde. Oder im Wald das Okay des Forst-Besitzers.

„Außerdem muss sichergestellt sein, dass niemand unzumutbar belästigt wird“, gibt Gerlach zu bedenken. Wenn ein summendes Flugobjekt über einem Grundstück kreist und noch dazu Fotos macht, könnten sich Anwohner schnell gestört fühlen. Laut Gerlach denke der Gesetzgeber daher über eine Verschärfung der Auflagen nach. Auch den von Konzerten bekannten Foto-Drohnen könnte das Aus drohen – zu unsicher seien Sicherheit und Datenschutz.

Außerdem könnten Mini-Drohnen, wenn sie lange Strecken zurücklegen sollen, der „richtigen“ Luftfahrt in Quere zu kommen. Bereiche, die bisher ebenfalls eine gesetzliche Grauzone darstellen – bisher gibt es schlichtweg kaum Präzedenzfälle hierfür.

Die Zukunft liegt wohl zunächst in der kommerziellen Nutzung

Die mittelfristige Zukunft der unbemannten Flugobjekte liegt also eher in der kommerziellen Nutzung. Projekte, die auch das TU-Team um Philipp Schnetter derzeit bewegen: Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Metrologie nutzen die Physiker unbemannte Flugobjekte, um Feinstaubemissionen zu untersuchen. Und Flugzeuge des Mikroflugzeug-Projekts „Carolo“ wurden an Unternehmen verkauft, die diese verwendeten, um Vermessungen von Agrarland zu vereinfachen – spezielle Dienstleistungen, die teuer sind und deren Serienproduktion wohl tatsächlich noch in den Sternen steht.

Bange ist Schnetter um seine Branche dennoch nicht: „Unsere Flugsysteme werden auch zum Technologietransfer genutzt. Sprich, es werden Forschungsergebnisse teilweise auf bemannte Flugzeuge übertragen.“ Hier würde sich in der Zukunft noch viel bewegen. Auch wenn „Nixie“ damit zunächst am Boden bleiben muss.