Karlsruhe. Schlappe für die Musikindustrie: Der Bundesgerichtshof entschied, dass Eltern nicht ohne weiteres haften müssen, wenn ihre Kinder heimlich bei illegalen Tauschbörsen aktiv sind. Das Urteil könnte den Ausgang von vielen Filesharing-Verfahren maßgeblich beeinflussen.

Eltern haften grundsätzlich nicht für den illegalen Musiktausch ihres minderjährigen Kindes, wenn sie das Kind ausreichend über das Verbot einer Teilnahme an Tauschbörsen im Internet belehrt hatten. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in Karlsruhe (Az. I ZR 74/12). Damit konnte sich ein Elternpaar gegen führende Musikkonzerne in Deutschland durchsetzen.

«Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht», so die Richter. Zu derartigen Maßnahmen seien sie nur dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass ihr Kind den Internetanschluss für Rechtsverletzungen nutzt - etwa aufgrund einer Abmahnung.

Im konkreten Fall hatte ein 13-Jähriger illegal Musik heruntergeladen und im Netz verbreitet. Seine Eltern waren vom Oberlandesgericht (OLG) Köln deshalb wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht zu 3000 Euro Schadenersatz verurteilt worden. Der BGH hob das Urteil auf, die Klage der Musikfirmen wurde abgewiesen.

«Es ist selbstverständlich, dass Kinder in diesem Alter über einen Computer verfügen und dass sie bei der Nutzung nicht ständig unter Aufsicht sind», sagte der Vorsitzende Richter Joachim Bornkamm. Eltern müssten ihre Kinder darüber belehren, das der Tausch von Musik oder sonstigen geschützten Werken illegal sei. «Aber sie müssen ihren Kindern nicht von vornherein mit Misstrauen begegnen und vermuten, dass sie trotzdem Rechtsverletzungen begehen», sagte Bornkamm.

Das OLG Köln hatte hingegen sehr strenge Anforderungen an die Eltern gestellt und unter anderem verlangt, dass sie regelmäßig den Computer auf installierte Filesharing-Programme überprüfen müssten. «Dieser ausufernden und realitätsfremden Rechtsprechung wurde nun glücklicherweise ein Riegel vorgeschoben», kommentierte der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke, der das Verfahren für die beklagten Eltern geführt hatte.

Das Urteil könnte weitreichende Bedeutung haben: «Es ist der Präzedenzfall, auf den wir seit Jahren warten», sagte der Münchner Anwalt Bernhard Knies, der eigens zur Verhandlung nach Karlsruhe gereist war. «Hätten wir dieses Urteil früher gehabt, dann hätten sehr viele Eltern einiges an Geld gespart.» Knies wartet schon auf die nächste Entscheidung des BGH: Es sei ein weiterer Fall anhängig, in dem es darum geht, ob der Inhaber des Anschlusses für erwachsene Mitnutzer haftet. (dpa)

Pressemitteilung des BGH