Braunschweig. Eva Lienemann sprach mit Diplom-Pädagogin Claudia Claus über Entspannung für Eltern und Kinder

Frau Claus, die Mütter sind heute noch mehr Erwartungen als früher ausgesetzt, heißt es in der Familienstudie. Warum ist das so?

Claudia Claus: Für berufstätige Mütter kommt alles zusammen: die Mutterrolle, die sie perfekt ausfüllen möchten, die Berufstätigkeit – die Zeit ist aber im Vergleich zu früher die Gleiche geblieben. Außerdem bleibt trotz aller Emanzipation die Organisation des Familienlebens meist an den Frauen hängen. Allerdings verbessert sich auch schon vieles dadurch, dass Väter heute stärker ihre Rolle wahrnehmen.

Wieso machen sich Mütter und auch Väter oft noch zusätzlichen Stress?

Weil Kinder nichts Alltägliches mehr sind. Man will ihnen möglichst viel bieten, vergisst aber dabei oft, dass Kinder sehr spontan organisiert sind – sie brauchen nicht viele feste Termine pro Woche, sondern verabreden sich gern morgens im Kindergarten für den Nachmittag. Hobbys können in richtigen Stress ausarten. Wo früher auf dem Hof gespielt wurde, fahren Mütter heute ihre Kinder mehrmals die Woche zum Ballett, zur musikalischen Frühförderung und zum Hockeytraining.

Den Kindern etwas bieten zu wollen ist ja sicher nur gut gemeint ...

Aber eine gemeinsame Entspannungsphase ist genauso wichtig für Kinder, und sie tut den Eltern auch gut. Langeweile ist für Kinder total hilfreich. Dann kommen spontan die besten Ideen, wenn man einfach mal sagt: ‚Wir langweilen uns jetzt gemeinsam, mal sehen, was passiert.’ Das nimmt unheimlich viel Stress aus dem Alltag. Aber auch ein Spaziergang und eine Radtour sind entspannend. Und wer noch etwas im Haushalt zu erledigen hat, kann die Kinder gleich mit einspannen. Gemeinsame Zeit mit den Kindern zu haben bedeutet ja nicht ausschließlich, mit ihnen zu spielen.

Wie schaffen sich Eltern Ruhe-Momente?

Ein Ritual nach dem Nachhausekommen hilft: Jeder kann sich erst einmal 10 Minuten entspannen und in seinem Zimmer sein, erst dann geht’s weiter. Eine Mutter berichtete mir von einer Ampel, die sie an die Wohnzimmertür gehängt hat. Zeigte sie Rot, gab es eine Auszeit für alle. Mütter müssen auch egoistisch denken: Organisieren Sie sich für einen Abend in der Woche eine Auszeit, in der Sie nur etwas für sich tun. Geben Sie die Betreuung ihres Kindes auch in andere Hände: Erziehung braucht unterschiedliche Menschen.

Väter, so zeigt die Studie, wünschen sich mehr Zeit mit ihren Kindern. Und dann kommt doch wieder am Abend die Mail aus dem Büro, die man schnell beantworten möchte. Wie sollen berufstätige Eltern es machen? Das Handy ausschalten?

Das geht nicht immer und wäre jetzt auch etwas einfach gesagt. Man kann feste Zeiten vereinbaren, an denen man erreichbar ist, und den Bereitschaftsdienst klar unter Kollegen regeln. Vielleicht ist es für die Väter außerdem möglich, einen festen Termin ihres Kindes zu übernehmen oder es an einem Abend ins Bett zu bringen. Das würde die Mutter entlasten und den Vater in die Routinen des Kindes einbeziehen.