Braunschweig. Vorsorge im Baby- und Kleinkindalter ist selbstverständlich. Doch nach der U9 hört es oft auf, obwohl Kassen auch die J1 für Jugendliche zahlen.

Kaum ist ein Baby auf der Welt, bekommt es schon den ersten Eintrag ins gelbe Vorsorgeheft, weil es die Vorsorgeuntersuchung U1 absolviert hat. Bis zur U9 im Kindergartenalter werden die Kleinen dann regelmäßig kostenlos vom Kinderarzt untersucht (siehe Tabelle). Mittlerweile hakt sogar das Jugendamt nach, wenn Eltern mit ihren Kindern nach mehrfachem Erinnern nicht zu den Vorsorgeterminen U5 bis U9 erscheinen.

Doch danach ist oft Schluss. Das gelbe Vorsorgeheft ist ausgefüllt, alle weiteren Untersuchungen würden dann auf einem gesonderten Bogen oder in einem grünen Checkheft vermerkt, nicht jede Kasse bezahlt sie. Die Jugenduntersuchung J1? Ist nicht besonders gefragt.

„Während beinahe alle Kinder die U1 absolviert haben“, sagt die Leiterin der Gesundheitsdokumentation im niedersächsischen Landesgesundheitsamt, Elke Bruns-Philipps, „kommen nur gut 40 Prozent der Jugendlichen zur J1.“

Auch der Verband der Kinder- und Jugendärzte und die Hausärzte klagen. „Manchmal sehen wir die Patienten dann das nächste Mal zum Gesundheits-Check mit 35 wieder“, sagt Carsten Gieseking, Vorsitzender des Landesverbands Braunschweig des Hausärzteverbands. Eine lange Zeit, in der sich Plattfüße und ein Hohlkreuz gut ausgebildet haben können.

Jugendliche haben oft Scheu vor der Untersuchung

Mehr noch als Haltungsschwächen oder Schluckbeschwerden interessiert die Ärzte, wie sich die Jugendlichen psychosozial entwickeln. Rauchen sie? Verbringen sie viel Zeit vor der Spielekonsole? Haben sie Fragen zur Sexualität?

„Auch Essstörungen sind in diesem Alter oft Thema“, sagt Carsten Giesking, der in Müden im Kreis Gifhorn eine Praxis hat. Solche Probleme könne man während der J1 frühzeitig besprechen.

Aus Ärzte-Sicht ist dieses Interesse an der J1 verständlich, doch Jugendliche haben in dem Alter zwischen 12 und 14 Jahren meist anderes als ihre Gesundheit im Sinn.

„Es geht für die Jugendlichen darum, ihre Identität zu finden“, sagt Sabine Götting, die als Psychologin in der Erziehungsberatungsstelle am Domplatz in Braunschweig arbeitet. „Vielen ist die Vorstellung unangenehm, dass ein Arzt ihren Körper anschaut und untersuchen will.“ Natürlich gebe es einige Jugendliche, die von sich aus Interesse an Gesundheitsthemen hätten, die meisten hätten anderes im Sinn.

Auch bei der J1

gilt die Schweigepflicht

Doch der Besuch beim Arzt könne eine Chance sein, so sieht es Psychologin Götting. „Es geht um meinen Körper! Dieses Gefühl müssen Jugendliche entwickeln“, sagt Götting. Bei der J1 können die Patienten entscheiden: Entweder sie sprechen vertrauensvoll alleine mit dem Arzt, der der Schweigepflicht unterliegt, oder nehmen ihre Eltern mit.

Welcher Weg der bessere ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Allgemeinarzt Gieseking meint, Eltern sollten ihre Kinder immer wieder daran erinnern, dass die Vorsorgeuntersuchung ansteht und auch den Termin vereinbaren. „Wir wollen die Jugendlichen an die Hand nehmen“, sagt Allgemeinmediziner Gieseking, „aber auch die Eltern miteinbeziehen.“

Einige Krankenkassen verschicken Erinnerungen direkt an die Jugendlichen. „So fühlen sie sich ernst genommen“, sagt Psychologin Götting, die dafür plädiert, dass Eltern sich mit Terminvereinbarungen zurückhalten. „Jugendliche lassen sich nicht gern belehren, am wenigsten von den Eltern“, sagt sie. Sie rät, Neugier auf die Untersuchung zu wecken. Väter sollten mit ihren Söhnen sprechen, die sich meist weniger für Gesundheit interessierten als Mädchen.