Gelsenkirchen. Am Freitag kann Schalke einen weiteren Sprung nach oben machen. Das wünscht sich auch Sportchef Christian Heidel - obwohl es gegen Mainz geht.

„Ich bin ausgebucht“, sagt Christian Heidel und lacht. In seinem Haus in Essen ist kein Platz mehr frei an diesem Wochenende, „und auch ein paar Hoteliers in der Nähe freuen sich“. Der FSV Mainz 05 ist an diesem Freitag zu Gast beim FC Schalke 04 (20.30 Uhr/Eurosport Player), das heißt für Schalkes Sportvorstand: große Wiedersehensfeier mit Familie, Freunden und Kollegen aus der für ihn guten alten Zeit. Aus der Zeit, in der er den kleinen FSV Mainz 05 mit bescheidenen Mitteln in die Bundesliga hievte und dort etablierte.

Heidel ist seit einem Jahr der Baumeister auf Schalke

Seit einem Jahr ist der 54-Jährige der Baumeister auf Schalke: Er hat nicht nur die Infrastruktur verändert, es ist auch eine weitgehend von ihm zusammengestellte Mannschaft, die gerade auf Platz sechs geklettert ist und durch den 2:0-Erfolg bei Hertha BSC den erwünschten Kontakt zu den oberen Plätzen hergestellt hat. Den Schalkern bietet sich nun die attraktive Aussicht, sich mit zwei Siegen in zwei aufeinander folgenden Heimspielen gegen Mainz und Wolfsburg in der Spitzengruppe festsetzen zu können. Trainer Domenico Tedesco hält solche Überlegungen allerdings für gefährlich: „An Wolfsburg denken wir jetzt genauso viel wie an Weihnachten“, sagt er. „Es wäre fahrlässig, an irgendetwas anderes zu denken als an das Spiel gegen Mainz 05.“

Gegen Mainz 05 – „für mich hört sich das immer noch komisch an“, sagt Christian Heidel.

Er war Mainz 05. Erst Fan, dann Dauerkarten-Inhaber, Kleinsponsor, seit 1992 Manager. Bis er sich dazu entschied, 2016 einen harten, durchaus auch schmerzhaften Schnitt vorzunehmen und einen neuen Weg zu gehen: den Weg nach Schalke, der mitten hinein führte in den Trubel der Königsblauen, die das Wort Beschaulichkeit nicht kennen. Spätestens seit Schalke in der vergangenen Saison die Saisonziele verpasste und Heidel sich in der Folge von Trainer Markus Weinzierl trennte, weiß der Sportchef, worauf er sich da eingelassen hat. Als ihn die Fans im September auf Spruchbändern als Verkäufer der Schalker Seele darstellten, weil sie ihm die Abgänge von Sead Kolasinac und Benedikt Höwedes anlasteten, traf ihn das tief. „Die Plakate tun mir natürlich weh“, gab er zu.

Aber er klingt nie so, als sähe er sich lieber wieder in Mainz. Es treibt ihn der Ehrgeiz an, die Königsblauen wieder auf Europacup-Kurs zu bringen und damit zu beweisen, dass er auch bei einem größeren Klub erfolgreich arbeiten kann. Herzensklub hin oder her – der Mann ist Profi, und deshalb zählt für ihn an diesem Abend nur sein neuer Verein.

Heidel traf im August in Mainz viele Wegbegleiter von einst

Zumal sein Nachfolger Rouven Schröder die Mainzer Mannschaft umgekrempelt hat. „Ich kenne noch viele Angestellte des Vereins“, sagt Heidel, „aber viele Spieler sind neu hinzugekommen. Mein Einblick ist deshalb begrenzt. Ich sitze jetzt nicht in unserer Trainerkabine und erzähle Domenico Tedesco, wie Mainz 05 spielt. Mal abgesehen davon, dass er das sowieso nicht bräuchte.“

Natürlich sind Heidels Kontakte in seine Heimat nie abgebrochen, erst im August genoss er es sehr, beim Abschiedsspiel für den FSV-Ehrenspielführer Nikolce Noveski viele Wegbegleiter von einst wiederzusehen, auch die Trainer Jürgen Klopp und Thomas Tuchel waren gekommen. Eine hübsche Nostalgie-Nummer war das für alle Beteiligten, eine Zeitreise, auch für Christian Heidel. Aber mehr eben auch nicht. Dass er bei dieser Gelegenheit erstmals den neuen Präsidenten Johannes Kaluza kennenlernte, musste Christian Heidel auch als Zeichen dafür deuten, dass sich Mainz 05 in der Zeit nach ihm schon merklich verändert hat.

Als Seitenwechsler kann er einen Blick auf die Statistik jetzt mit anderen Augen wagen: Elfmal spielte Schalke in der Hinrunde der Bundesliga gegen Mainz, elfmal gewann Schalke. Auch vor fast genau einem Jahr, als Heidel erstmals seiner Vergangenheit begegnete, siegte Schalke – damals mit 3:0. Natürlich käme ihm ein weiterer Erfolg sehr gelegen: „Es ist doch klar, dass ich mir zuerst einen Sieg und danach den Mainzern alles Gute wünsche“, sagt Christian Heidel.

Mit dem erhofften Sieg stünde Schalke 04 sogar auf einem Champions-League-Platz – wenigstens für eine Nacht. Für Christian Heidel wäre das ein ganz neues Gefühl. Wie er dann allerdings seine vielen Besucher bei Laune halten will, das wird er sich noch gut überlegen müssen.