Essen. Mit ihrer Aktion gegen Schalke wollten die Hertha-Profis den Sportler-Protest in den USA unterstützen. Viele halten die Geste für eine PR-Masche.

Geschlossen knien die Hertha-Profis vor dem Bundesliga-Spiel gegen Schalke 04 nieder, an der Seitenlinie machen es ihnen der Trainerstab, Betreuer und Manager Michael Preetz nach. Im Berliner Stadion wissen die meisten: Es geht um die Proteste in den USA, bei denen Football-Profis während der Nationalhymne niederknien und sich deshalb von einem Mann als „Hurensöhne“ beschimpfen lassen müssen, den das Volk zum Präsidenten gewählt hat.

Der Hauptstadtklub ist vermutlich der erste europäische Verein, der sich an dem Protest gegen Rassendiskriminierung beteiligt. Aber zwischen Applaus und Anerkennung, zwischen Schlagzeilen in der Washington Post und der New York Times wird die Kritik laut.

PR-Masche oder Solidaritätsbekundung? Die Republik ist in dieser Frage gespalten.

„Dumm und unangebracht“, schreibt die Bild.

„Selbstgerecht, eitel, narzisstisch“, sagt die Süddeutsche.

„Wichtig und mutig“, urteilt der 11-Freunde-Chefredakteur in ei­nem Gastbeitrag für den Stern.

Metzelders Firma berät Hertha

Im Fokus: Christoph Metzelder. In seiner Funktion als Sky-Kommentator war Metzelder einer der ersten, der die Aktion lobte. Allerdings ist der frühere Schalke-Spieler auch Geschäftsführer der Marketing-Agentur Jung von Matt/Sports. Und die berät Hertha BSC. Der Hauptstadtklub möchte sein Image aufbessern, so wie es Dortmund mit „Echte Liebe“ macht. Ein Kniefall also fürs Image?

Auf Nachfrage dieser Redaktion möchte sich der Halterner Metzelder nicht äußern, er verweist auf Hertha BSC. Paul Keuter, Mitglied in Herthas Geschäftsführung, hat eine Verbindung vehement abgestritten: „Wer glaubt, dass wir das aus Marketing-Gründen gemacht haben, dem ist definitiv nicht zu helfen! Der Kniefall ist ein Symbol für ein klares Statement gegen Diskriminierung und Rassismus geworden, das ist auch die Haltung unseres Vereins.“ Was die Haltung von Hertha ist, ist seit der Aktion auf der Vereinshomepage nachzulesen: „Werte wie Toleranz, Verantwortung, Mut, Solidarität, Gleichheit und Respekt leben und vermitteln wir aus tiefer Überzeugung.“

Möglich wäre, dass Keuter, der ehemalige deutsche Twitter-Chef, von seiner Frau inspiriert wurde. Sie ist US-Amerikanerin. Berlins ivorischer Stürmer-Star Salomon Kalou sagt indes: „Die Idee kommt vom ganzen Team. Wir stehen gegen Rassismus, und wir werden immer dagegen kämpfen, als ein Team, als eine Stadt.“

Ex-NFL-Profi Werner skeptisch

Rassismus sollte es nirgendwo geben, sagte Kalou, nicht in der nordamerikanischen Profiliga NFL, nicht im Fußball.

Der frühere NFL-Profi Björn Werner ist skeptisch: „Ich habe es gesehen und mich gefragt. Warum knien die denn jetzt?“, sagte er. „Cool, wenn es der richtige Support ist. Aber ich bin der Meinung, das hat etwas mit der NFL zu tun, und da sollte man sich raushalten.“

Im Vorjahr gab San Franciscos mittlerweile arbeitsloser Quarterback Colin Kaepernick den Anstoß zur „Take a knee“-Kampagne (deutsch: Kniet nieder), als er sich während der Hymne auf sein Knie stützte. Seitdem haben viele NFL-Spieler die Geste imitiert, um auf Polizeigewalt und Rassendiskriminierung aufmerksam zu machen. Der populistische Präsident Donald Trump forderte deshalb die Klubs auf, „die Hurensöhne vom Feld“ zu nehmen. Sie würden alles beleidigen, „wofür wir stehen“.

Die Liga ist gespalten wie die Gesellschaft: Anfangs kniete der Besitzer der Dallas Cowboys, Jerry Jones, mit seinen Spielern. NFL-Chef Roger Goodell bezog öffentlich Stellung gegen Trump. Mittlerweile sind sie davon abgewichen. Jones droht seinen Spielern mit Strafe. Goodell empfahl in einem Brief, jeder sollte bei der Hymne stehen.

Zuspruch erfahren die NFL-Stars von anderen Sportlern. Bei einem Schwimm-Meeting in Rio kniete nun der zweimalige 50-m-Freistil-Olympiasieger Anthony Ervin aus den USA nieder. Seit Samstag zählt Hertha BSC dazu.