Amsterdam. Dick wie Watte hing am Tag nach der Nullnummer gegen die Niederlande der Nebel über Amsterdam. Joachim Löw sah auf der schnellen Heimreise aber sonnenklar. «Wir brauchen auch solche Spiele, um uns in der Breite noch zu verbessern für eine WM», sagte der erleichterte Bundestrainer.

Dafür war das Taktik-Remis im diesmal gar nicht emotionalen Nachbarschaftsduell mit Oranje eine perfekte Bühne. Auf die Fußball-Fans wirkte das 0:0 der deutschen Nationalmannschaft zum Ende des turbulenten EM-Jahres wie eine Schlaftablette. Für Löw war es eine Beruhigungspille zur rechten Zeit.

Noch in der Nacht hatte Löw alle seine Akteure und den gesamten DFB-Stab im Amsterdamer Teamhotel zu einem Jahresausklang gebeten. Nach Mitternacht wurde 2012 in Video-Sequenzen rekapituliert und die Marschroute für das kommende turnierlose Jahr ausgeben: Volle Konzentration auf eine schnelle WM-Qualifikation. Auch Teammanager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach schworen die Nationalspieler mit kurzen Ansprachen auf die Zukunft ein.

Für Löw ist aktuell am wichtigsten: Ohne lästige Defensivdiskussionen und öffentliche Debatten um einen vermeintlichen Führungsspielermangel kann sich der 52-Jährige auf ein ruhiges Weihnachtsfest freuen und seine Pläne bis zur WM 2014 schmieden. «Natürlich tut so ein Spiel allen gut. Natürlich ist es besser, man geht in eine lange Pause mit einem guten Spiel und einem guten Ergebnis, als mit einem schlechten Spiel und einem schlechten Ergebnis», befand Löw.

Noch am Wochenende hatte er mit Otto Rehhagel in Rom zu Abend gegessen. Offenbar hatte Löw vom Trainer-Altmeister zum Thema «Kontrollierte Offensive» fachlichen Rat bekommen. Spektakel und Torezauber fielen diesmal aus. Für Löw zählten nach dem Vier-Tore-Schock gegen Schweden Begriffe wie Balance, Stabilität und Disziplin. Da tat sogar das erste 0:0 seit zwei Jahren gut.

Ohne acht Stammkräfte war Löw zum Testen gezwungen und wurde von den jungen Nachrückern nicht enttäuscht. «Es hat gezeigt, dass wir gute Alternativen haben. Die Abwehr war sehr konsequent, und das zentrale Mittelfeld war sehr gut. Ilkay Gündogan und Lars Bender haben sehr gute Arbeit verrichtet», lobte Löw explizit die Aushilfs-Doppelsechs. Auch Per Mertesacker sah neue Perspektiven. «Vielleicht war es das wichtigste Spiel für die Zukunft», sagte der Verteidiger.

Eine grundsätzliche Abkehr vom Offensivstil muss aber kein Spektakel-Fan in Deutschland befürchten. «Ich habe immer gesagt, dass es wichtig sein wird, über die Monate hinweg die richtige Balance zu finden. Ich habe nie gesagt, dass wir unser Offensivspiel und dieses Potenzial aufgeben. Von daher werden wir weiter konsequent daran arbeiten», versprach Löw.

Nach der Absage von Miroslav Klose musste er ohne echte Spitze auskommen. Das Alternativ-System mit vier Offensivkräften um Aushilfsangreifer Mario Götze griff nur bedingt. «Knipser wie Klose und Gomez braucht man im Team», sagte der mit einem Starteinsatz belohnte Nachrücker Lewis Holtby. Im Blickpunkt stand eher die geordnete Defensive. Ziel für die Zukunft ist es, «das schöne Wort Balance zu perfektionieren», sagte Mats Hummels, das Vokabular des Bundestrainers aufgreifend.

Nächsten Mittwoch muss der BVB-Verteidiger mit seinen Kollegen Gündogan, Götze, Marco Reus und Sven Bender mit Dortmund wieder in Amsterdam antreten - gegen Ajax in der Champions League. «Dann wird es sicher etwas hitziger», sagte Gündogan voraus. Selten waren im Duell zwischen Oranje und Schwarz-Rot-Gold so wenige Emotionen zu spüren.

Die deutsche Bilanz 2012 ist mit acht Siegen, zwei Remis und vier Niederlagen durchwachsen. Mehr verlorene Spiele in einem Kalenderjahr gab es unter Löw noch nie. Auch 22 Gegentore in 14 Spielen sind ein Negativrekord. Die wesentliche Erkenntnis ist für Löw aber die Treue zur Spielphilosophie. «Immer wenn wir unseren Spielstil durchgezogen haben, haben wir keine Probleme gehabt, weder in der Defensive noch in der Offensive. Wenn wir davon abgegangen sind, hatten wir immer irgendwelche Schwierigkeiten.» Als Knackpunkt bleibt das bittere Halbfinal-Aus bei der EM gegen Italien (1:2) hängen - dieser Malus soll das DFB-Team im Jahr 2013 nicht begleiten.

«2013 wollen wir uns so schnell wie möglich für die WM qualifizieren. Das muss das Ziel sein», sagte DFB-Kapitän Philipp Lahm. Am 6. Februar tritt die Nationalmannschaft zum ersten Test im neuen Jahr in Paris gegen Frankreich an. Die WM-Qualifikation wird erst im März mit Hin- und Rückspiel gegen Kasachstan fortgesetzt. Dann soll auch wieder mehr Fußball-Spektakel geboten werden. (dpa)