Sotschi. Die deutsche Elf trifft gegen Kamerun erst in Hälfte zwei. Im Halbfinale wartet Mexiko.

Timo Werner war in der Vergangenheit nicht immer ehrlich. Aber hier in Sotschi, vor der versammelten Weltpresse, da fand der 21-Jährige, dass es sich gehöre, die Sache zu benennen, wie sie wirklich war: „Ja“, sagte der Angreifer, als er gefragt wurde, ob die kuriose rote Karte gegen Kamerun samt Verwirrung um den Videoschiedsrichter dazu beigetragen habe, dass er die deutsche Nationalelf mit zwei Toren zum 3:1 (0:0) gegen den Afrikameister im letzten Gruppenspiel beim Confed Cup geschossen hatte.

„Dadurch hatte ich den Platz, den ich brauchte“, sagte der Leipziger. Platz, um in der 66. und 81. Minute zu treffen – und verlorene Sympathien für sich zurückzugewinnen. Zuvor hatte Kerem Demirbay mit einem Schuss unter die Latte das 1:0 erzielt (48.).

Dank Werners Doppelpack und Demirbays im wahrsten Sinne des Wortes Sonntagsschuss zieht Deutschland ins Halbfinale ein und freut sich dazu über den angenehmen Nebeneffekt, in Sotschi bleiben zu können, weil Chile zeitgleich nur 1:1 gegen Australien spielte. „Das ist natürlich toll“, sagte Werner und meinte das Bleiben im Badeort an der russischen Rivieraküste. „Wir haben einen Tag mehr Zeit, uns zu erholen und können auch mal schwimmen gehen.“ Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw, der in seinem 150. Länderspiel den 100. Sieg feierte, trifft erst am Donnerstag auf Mexiko (20 Uhr), dem Zweiten der Gruppe A.

Ein Fußballspiel erzählt man gern an denen, die die entscheidenden Tore erzielen. Bei Werner passte das am Sonntag aber besonders gut, weil es eine Partie der zwei Gesichter war: Einer schwache ersten Hälfte der deutschen Elf folgte eine starke zweite. Und die 30 230 Zuschauer in Sotschi bekamen auch einen schwachen und einen starken Werner zu sehen. „In der ersten Halbzeit war ich ein bisschen sauer“, sagte der Leipziger, „weil die Situation mehrfach nicht ideal für mich war“. Er lief mehrfach stramm los in den freien Raum, nur der Ball, der mied ihn lange.

Löw hatte sich im dritten Gruppenspiel für eine Aufstellung mit Werner, Demirbay sowie Antonio Rüdiger und Marvin Plattenhardt entschieden. Die Umstellungen machten sich zunächst negativ bemerkbar: Kamerun hätte zur Pause führen können, wenn Marc-André ter Stegen, für dessen Verbleib im Tor sich Löw entschieden hat und das auch im weiteren Turnierverlauf beibehalten wird, nicht hervorragend gegen André-Frank Zambo Anguissa pariert hätte (45.). Nach Wiederanpfiff war erst Demirbays Schussqualität zu bestaunen – 1:0. Und dann ein Problem, das der Videobeweis auch mit sich bringen kann. Der Unparteiische Wilmar Rodlán war nach einem etwas härteren Einsteigen von Ernest Mabouka gegen Emre Can verwirrt, zeigte fälschlicherweise Sebastien Siani Gelb, begutachtete dann die TV-Bilder, um Siani vom Platz zu stellen. Verwirrung nun auch im Stadion. Letztlich klärten die Bilder auf, dass es doch Mabouka gewesen war. Mabouka flog vom Feld. Eine zu harte Entscheidung. So macht der Videobeweis wenig Sinn.

Als der Ball wieder rollte, bekam Werner den freien Raum, den er brauchte. Eine feine Flanke von Joshua Kimmich beförderte er per Flugkopfball ins Netz (68.). Kamerun kam noch einmal durch den Kopfballtreffer von Vincent Aboubakar heran (78.). Doch Werner war wieder zur Stelle, als ihn der eingewechselte Benjamin Henrichs freispielte (81.).

Neulich hatte der Doppeltorschütze noch gesagt, er hoffe, das deutsche Publikum, das ihn beim 7:0 in Nürnberg wegen einer Schwalbe gegen Schalke vor einem halben Jahr auspfiff, mit Toren für sich zu gewinnen. Das Spiel gegen Kamerun war ein guter Anfang.