Braunschweig. Der neue starke Mann im Braunschweiger Basketball, Aufsichtsratschef Paul Anfang, spricht über seine Pläne für den Erstliga-Standort, Anforderungen an den neuen Geschäftsführer, Nachwuchs, Finanzen, Dennis Schröder.

Den ersten großen Aufschlag als neuer Chef der Basketballer hat Paul Anfang schon hinter sich: Der designierte Aufsichtsratschef schaffte es, das Verhältnis von NBA-Star Dennis Schröder zu den Löwen auf eine neue Vertrauenbasis zu stellen und somit das Gesicht des Braunschweiger Basketballs für den Standort zurückzugewinnen. Im Interview mit Redakteurin Ute Berndt verriet der 54 Jahre alte stellvertretende Vorstandsvorsitzende von BS Energy, wie er die Zukunft der Löwen gestalten will.

Herr Anfang, was verbindet Sie mit dem Basketball?

Ich bin sportbegeistert von jeher. Und als ich vor zehn Jahren nach Braunschweig kam, bin ich direkt in den Aufsichtsrat der Basketballer berufen worden. Über die Jahre habe ich dann eine echte Leidenschaft für diesen Sport entwickelt. Ich finde, das ist ein Gute-Laune-Sport. In der Halle habe ich immer das Gefühl, die Stimmung ist gut, es sind positive Emotionen da, und die Leute sind gut drauf. Das ist nicht vergleichbar mit anderen Sportarten.

Bei den Löwen auch? Gute Laune, gute Stimmung – in der vergangenen Saison?

Ich spreche von den letzten zehn Jahren insgesamt. Die aktuelle Saison hat natürlich nicht immer wirklich großen Spaß gemacht. Ich bin froh, dass wir den Klassenerhalt unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen geschafft haben. Und trotzdem: Es war fast immer gute Stimmung in der Halle. Klar hätten wir lieber mehr Fans in der Halle gehabt, aber die Leute, die da waren, haben Stimmung gemacht und waren alle guter Hoffnung. Es lohnt sich, daran zu arbeiten, das noch auszubauen.

Was treibt Sie an als Aufsichtsratschef. Warum haben Sie das Amt übernommen?

Ich will einfach diesen traditionsreichen Basketball-Standort erhalten. Wir haben in den vergangenen Jahren im Aufsichtsrat vieles gemeinsam gemacht, und das soll auch so bleiben. Aber die Funktion des Vorsitzenden ist noch eine andere, weil man da mehr Gesicht zeigt, nach seiner Meinung gefragt wird und mehr Möglichkeiten hat, Positives zu bewirken. So sehe ich meine Rolle, ich will mein Netzwerk nutzen.

Bevor ich das Amt übernommen habe, habe ich auch mit unserem Oberbürgermeister Ulrich Markurth gesprochen. Denn ich lege Wert darauf, dass diese Stadt auch zum Basketball steht. Ich möchte Gemeinsamkeiten haben. Und er hat klar sein Kommitment gegeben, dass Basketball erstklassig bleiben soll.

Als Ihre Amtsübernahme und das Ausscheiden von Stefan Schwope als Geschäftsführer kommuniziert wurde, haben Sie gesagt, es sei ein Neustart. Was heißt das?

Ich meinte es im Sinn von durchstarten, nicht alles neu machen und das Alte verdammen. Wir haben ja in der Vergangenheit vieles richtig und gut entschieden und viel kritische Situationen gemeistert. Aber man kann immer Prozesse optimieren, noch schneller, besser, effektiver werden. Das wollen wir versuchen.

Der Aufsichtsrat wird noch mehr auf Teamarbeit setzen, wir stellen ihn kleiner auf. Ich möchte eine kleine schlagkräftige Truppe schaffen, die schnelle Entscheidungen trifft. Es wird auch neue Gesichter im Aufsichtsrat geben.

Steigt mit Ihrem Aufstieg nun auch Ihr Unternehmen BS Energy wieder größer ein beim Basketball?

Das Sponsoring durch ein Unternehmen und die Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender sind zwei Paar Schuhe, das kann man nicht verknüpfen. Ein wichtiges Zeichen war doch, dass sich alle Hauptsponsoren für zwei weitere Jahre an den Basketball gebunden haben, Sicherheit gewährleisten. BS Energy steht dazu. Alle Hauptsponsoren waren bisher bereit, im Notfall noch mehr zu unterstützen, beispielsweise, wenn Nachverpflichtungen nötig waren. Ich denke, das wird auch so bleiben. Wenn etwas Dringendes um die Ecke kommt, laufen die Telefone heiß.

Es hieß ja, es gibt insgesamt wieder etwas mehr Geld von den Hauptsponsoren. Was ist damit möglich?

Erstmal hoffe ich, dass man von mir keine Wunder erwartet nach einer Saison, in der wir gerade am Abstieg vorbeigesegelt sind, und man nun glaubt, dass wir jetzt den Etat verdoppeln und oben mitspielen. Das würde ich gerne, aber es steht nicht in meiner Macht. Bitte lassen Sie uns Zeit, nachhaltige Entwicklung zu betreiben.

Und ja, es gab von den Hauptsponsoren in der Summe ein bisschen was obendrauf. Aber leider ist das im Moment schon weg durch gegenläufige Effekte. Leider haben andere Sponsoren aufgehört, und es gibt das eine oder andere Problem mit der Liga, die den Standard erheblich hochpumpt. Da müssen wir Geld ausgeben, von dem wir nichts haben, zum Beispiel für bestimmte Lux-Zahlen in der Hallenbeleuchtung. Da kommen plötzlich Beträge hinzu, die wir letzte Saison nicht auf dem Zettel hatten.

Die Situation ist schwierig. Denn es stellt sich die Frage, wie weit man bei der Planung und Budgetierung ins Risiko geht. Man kann ja sagen, wir werden das schon hinkriegen und geben das Geld jetzt aus. Aber was ist, wenn wir es nicht hinbekommen? Dann stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Und dafür bin ich nicht angetreten, da geht es auch um die Reputation. Man kann ein Risiko nur eingehen, wenn es kalkulierbar ist.

Hätte man nicht in bessere Mannschaften oder schnellere Nachverpflichtungen investieren und das Geld dann durch attraktiveren Sport und höhere Zuschauerzahlen wieder reinholen können?

Das ist die Sache mit der Henne und dem Ei. Wir haben uns permanent diese Gedanken gemacht, sehr intensiv. Und wir waren uns mehrheitlich einig, dass wir keine allzu großen Risiken eingehen wollen. Ich bin auch eher auf der vorsichtigen Seite unterwegs.

Müssen Sie nicht vor allem mehr Zuschauer begeistern, um neue Sponsoren gewinnen zu können?

Wir werden wieder Leute in die Halle holen. Das ist ein klares Statement von mir. Ich will in die Region. Man muss uns überall sehen, wir müssen Busse chartern. Die ganze Region muss Basketball kennenlernen. Wir werden das mit dem neuen Geschäftsführer angehen, der da hoffentlich auch neue Ideen einbringt. Die Halle ist ja auch schwierig, und wir arbeiten mit dem Hallenmanagement daran, durch Abhängen oder Ähnliches mehr Stimmung zu erzeugen.

Wie werden Sie die vergangene Saison mit fast 20 Prozent Zuschauerrückgang finanziell abschließen?

Wir hatten das einkalkuliert und gehen davon aus, dass wir vernünftig aus der Saison rauskommen, mit der schwarzen Null.

Spüren Sie seit Ihrer Wahl so etwas wie Aufbruchstimmung in der Wirtschaft?

Die Leute klopfen mir auf die Schulter und sagen, dass sie es gut finden, dass ich das übernommen habe. Konkrete Zusagen fehlen leider noch weitestgehend. Es gibt allerdings den einen oder anderen Ansatz, bei dem wir Hoffnung schöpfen.

Sie haben den Geschäftsführer angesprochen, den Sie noch finden müssen. Was soll er können, wie lautet die Stellenbeschreibung?

Ich wünsche mir jemanden, der frisch nach Braunschweig kommt, keine Historie hier hat, der mit frischen Ideen und Impulsen einschlägt. Er sollte einen professionellen Sportmanagement-Hintergrund haben. Basketball-Affinität wäre ein großer Vorteil, jemand der brennt für diesen Sport. Aber wenn sie nicht vorhanden ist, wäre das kein K.-o.-Kriterium. Es geht darum, die Gesamtzusammenhänge zu verstehen.

Er muss zudem öffentlichkeitswirksam arbeiten können, gut rüberkommen, mit Medien umgehen. Wir brauchen einen Verkäufer, der Basketball in der Region positiv vermarktet, auf neue Sponsoren zugehen kann und vorhandene pflegt. Er muss vor Entscheidern in Firmen super präsentieren und überzeugen können. Und er muss betriebswirtschaftlich denken können, nicht nur in bunten Bildern, sondern auch in knallharten Zahlen.

Das Thema Teambildung, Führung ist auch ein sehr wichtiges. Und er muss zu mir und dem Aufsichtsrat passen. Vertrauen und gutes Bauchgefühl ist bei Personalentscheidungen sehr wichtig. Schließlich muss er ja Dinge machen, bei denen ich nicht so eingebunden bin.

Können Sie so ein Multitalent denn bezahlen? Und wie weit sind Sie bei der Suche?

Klar ist das ein Problem, so eine eierlegende Wollmilchsau zu bezahlen. Aber es heißt ja nicht, dass man niemanden findet. Wir werden wohl den einen oder anderen Kompromiss machen müssen. Es gibt Interessenten, wir haben einige Gespräche geführt. Aber es dauert wohl noch etwas, bis wir jemanden präsentieren können.

Was haben Sie noch vor, was sind die wichtigsten Neuerungen?

Das Wichtigste ist, eine solide wirtschaftliche Basis zu schaffen. Ein weiterer Schlüssel ist, intern ein gut funktionierendes Team zwischen Sport und Geschäftsstelle zu schaffen mit einem gemeinsamen Verständnis von dem, was wir wollen. Es ist ja klar, dass die eine Seite aufs Geld guckt und die andere es ausgeben will. Da müssen Rollen und Ziele klar sein. Es wird auch viel vom neuen Geschäftsführer abhängen, wie der das managt.

Der dritte enorm wichtige Punkt ist, dass wir uns darüber unterhalten, wie wir die Nachwuchsarbeit und die Kooperationen gestalten. Ich habe alle eingeladen, die in den letzten zwei Wochen mit Wünschen auf mich zugekommen sind. Klar ist, es muss attraktiv sein für junge Spieler, nach Braunschweig zu kommen. Klar ist, wir werden weiter finanziell limitiert sein und Geld für einiges ausgeben, auf anderes aber verzichten müssen. Letztes Jahr haben wir uns eben für den Erhalt der ersten Liga entschieden. Nun ist es das Ziel, den Etat und auch die Jugendarbeit wieder hochzufahren.

Hat Ihr Sportchef Frank Menz inzwischen schon ein Budget für die Mannschaft bekommen?

Ich arbeite sehr eng mit ihm zusammen, wir telefonieren regelmäßig. Ich versuche, Hilfestellung zu geben, bis der neue Geschäftsführer da ist. Wir haben Herrn Menz jedenfalls eine Budgetfreigabe erteilt, um bestimmte Schlüsselspieler zu verpflichten beziehungsweise zu halten.

Für den Rest des Teams brauchen wir noch Zeit. Wir haben noch kein Gesamtbudget und haben ein mehrstufiges Verfahren vereinbart, bei dem der Trainer zu einem späteren Zeitpunkt weitere Spieler holen kann. Und dann zum Schluss gucken wir, ob wir noch richtig einen raushauen können.

Wie soll Dennis Schröder dem Standort helfen?

Als Erstes kann er helfen, dass wir Basketball in Braunschweig wieder positiv in die Öffentlichkeit kriegen. Er ist ein Zugpferd. Kein anderer Klub in Deutschland außer Würzburg hat die Möglichkeit, einen NBA-Star für seine Mannschaft zu nutzen. Seit einem halben Jahr habe ich mich bemüht, wieder einen Ansatz mit Dennis zu finden. Das war nicht einfach, denn da war einiges Vertrauen zu kitten.

Es ist ein Superzeichen, dass er sich bereit erklärt hat, uns zu unterstützen und das mit einem Foto öffentlich zu machen. Das zeigt die Ernsthaftigkeit dieser Kooperation. Wir müssen jetzt abwarten, wie die Zusammenarbeit konkret gestaltet werden kann. Ich hoffe einfach, dass er uns zum Beispiel mit seinen Kontakten, seinem Namen hilft.

Wie lautet Ihre Vision? Wo steht der Standort Braunschweig in ein paar Jahren?

Ich möchte, dass wir wieder unter die Top-Acht der Liga kommen, dass wir finanziell stabil sind und ein gefragter Basketball-Standort bei Fans und Spielern.