Lahti. Die deutschen Skilangläufer stecken in einer Krise und sind bei der WM nur Außenseiter.

Die Medaille als Traumziel im Hinterkopf, die Angst vor dem erneuten Scheitern aber im Nacken: Die deutschen Skilangläufer kämpfen bei der WM in Lahti ohnehin schon gegen den Sturz in die Bedeutungslosigkeit, nun fällt in Tim Tscharnke auch noch einer der wenigen Hoffnungsträger aus. Schon bei den heutigen Sprintentscheidungen zum Auftakt sind die Erben der Goldenen Generation nur Außenseiter.

„Wir müssen realistisch bleiben, was die Ziele in Lahti angeht“, sagt der Sportliche Leiter Andreas Schlütter vor den Freistilsprints. Für ihn heißt das: Top-10-Platzierungen in den Einzelrennen sowie die Podestnähe in der Staffel ist der angepeilte Bereich bei den Frauen, bei den Männern ist die Zielsetzung eine Etage tiefer angesetzt.

Auch das macht deutlich, dass der deutsche Skilanglauf zehn Jahre nach dem letzten Einzeltitel durch Axel Teichmann 2007 in Sapporo und dem letzten Edelmetall durch die Männer-Staffel 2011 auf der Talsohle verharrt, eine dritte WM ohne Medaille in Serie ist nicht unwahrscheinlich.

Längst können sich die DSV-Läufer und -Läuferinnen nicht mehr mit den Topkräften aus Skandinavien messen. „Der Nachwuchs wurde vernachlässigt, das bekommen wir jetzt zu spüren“, sagt Ex-Bundestrainer Jochen Behle.

Dies gilt auch für die mediale Reichweite. Der Skilanglauf stand im Dreigestirn der traditionellen Nordisch-Disziplinen in Deutschland ohnehin schon hinter Skispringen und Kombination zurück. Doch mittlerweile bewegt er sich in Sachen TV-Präsenz auf dem Niveau von Skicross oder Snowboard. Aus Lahti wird es öffentlich-rechtliche Live-Bilder geben, umso wichtiger wären deutsche Erfolge – doch wer soll sie holen?

Die Sprints zu Beginn großer Meisterschaften waren in den vergangenen Jahren zumeist eine Medaillenchance – verbunden vor allem mit Denise Herrmann und Josef Wenzl. Während sich Wenzl aber völlig von seiner Form verabschiedet hat, wollte die zum Biathlon gewechselte Herrmann im Vorbeigehen noch die Qualifikation für die Spezialisten-WM schaffen – das ging schief.

So ist heute wohl Sandra Ringwald die einzige Anwärterin auf einen Final-Platz der besten Sechs. „Sie hat in dieser Saison gezeigt, dass sie das drauf hat“, sagt Schlütter: „Bei den Männern geht es für Sebastian Eisenlauer um den Einzug ins Halbfinale.“ Bei der Generalprobe in Otepää scheiterte Ringwald im Viertelfinale, Eisenlauer in der Qualifikation.

Ansonsten steht und fällt der deutsche Erfolg in Lahti mit den beiden Sorgenkindern. Nicole Fessel kann an guten Tagen im Einzel unter die besten Fünf laufen, kränkelt aber beständig. Laut Schlütter seien dies Nachwirkungen des Höhentrainingslagers gewesen: „Wir glauben, dass sie hier die starke Form des Saisonstarts haben kann.“ Der dringend für die Staffel benötigte Tscharnke hat sich für die erste WM-Woche krank abgemeldet und soll am Sonntag nachreisen. sid