Wolfsburg. Der Weltmeister wird beim 2:3 gegen Hertha von den Fans ausgepfiffen – und erneuert seinen Wechselwunsch.

. Wechseltheater, Klappe, die zweite: Auftritt Julian Draxler. Mit feuchten Augen steht der 23-Jährige einige Momente nach der 2:3-Niederlage seines VfL Wolfsburg gegen Hertha BSC im Bauch der Wolfsburger VW-Arena. Die Szene in der 78. Minute beschäftigt ihn noch. An der Außenlinie wartet er auf Borja Mayoral. Die 19 Jahre alte Sturmleihgabe von Real Madrid wird wegen seines Tores mit großem Applaus vom Publikum verabschiedet. Draxler betritt den Rasen – und plötzlich kippt die Stimmung: Die Fans pfeifen lautstark. „Was das mit einem Menschen macht, brauche ich niemandem zu erklären“, sagt der Ausgepfiffene.

Gut möglich jedoch, dass sich Draxler selbst bald wieder mal vor den VfL-Bossen erklären muss. Denn nach seiner Degradierung auf die Bank und nach dem Pfeifkonzert ging’s in der Mixed-Zone um seine Zukunft – und da ließ er keinen Zweifel offen, dass sich seit dem Sommertheater nichts, aber auch gar nichts verändert hat. „Ich habe schon gesagt, wie ich dazu stehe. Das habe ich im Sommer schon genug beantwortet“, sagt er und meint sein Interview mit der „Bild“. Rumms!

Der Weltmeister will weg aus Wolfsburg. Das ist nichts Neues. Dass er es aber erneut offen und ungeniert artikuliert, dürfte als dreist und als ein Affront gegen den Verein, die Fans und die Stadt gewertet werden. Draxlers erneuerter Wechselwunsch setzt auch Klaus Allofs massiv unter Druck.

Der Manager muss jetzt nicht nur die Untergangsstimmung bei seinem VfL bekämpfen. Er muss nicht nur das angeknackst wirkende Verhältnis zu Eigner Volkswagen stabilisieren. Er muss nicht nur seine eigene wacklige Position stärken. Nein, er muss nun auch noch Draxler verkaufen. Einen anderen Ausweg gibt’s wohl nicht mehr. Pulverfass Wolfsburg!

Obwohl Allofs noch vor dem erneuerten Wechselwunsch Draxlers behauptet hatte, es gäbe keine Transfersignale des Weltmeisters, sind im Hintergrund die Gespräche mit Berater Roger Wittmann längst angelaufen. Klar ist: Bietet ein Klub im Winter eine akzeptable Summe für den ehemaligen Schalker, ist dieser weg. Bis dahin wird er wohl nicht mehr für die „Wölfe“ spielen. Doch eine offizielle Reaktion des VfL blieb bislang aus. Beim gestrigen Auslaufen nach der bitteren Heimpleite gegen Hertha war der 23-Jährige dabei. Ein Rauswurf oder eine Degradierung zum Regionalliga-Team steht erst einmal nicht zur Debatte.

Allofs ist mehr denn je als Krisenmanager gefragt. Dass er die Tür zu Diskussionen um einen möglichen Draxler-Abgang völlig ohne Not eigenhändig wieder geöffnet hatte, kam beim Aufsichtsrat überhaupt nicht gut an. „Wir würden es anders bewerten, und es kann sein, dass wir es beim nächsten Mal anders machen und die Freigabe geben würden“, sagte der 60-Jährige. Erst klare Kante, dann die Zweifel an der eigenen Härte – und nun die erneute Eskalation wegen Draxler.

Dass der VfL mitten in einer der schwersten sportlichen Krisen seiner 20-jährigen Bundesliga-Geschichte festhängt, verkommt angesichts der zahlreichen Nebenkriegsschauplätze zu einem Randaspekt. Mit katastrophalen zehn Punkten aus 13 Partien steckt das von Allofs zusammengestellte Team im Abstiegskampf. Die großen Ziele haben sich längst erledigt. Und die nächsten Wochen werden nicht leichter. Samstag geht’s zum Rekordmeister nach München. Da fehlen die gesperrten Paul Seguin und Maximilian Arnold – sowie wahrscheinlich Draxler. Dessen Tage beim VfL sind gezählt. Am 1. Januar öffnet das Transferfenster. Wohl kaum jemand sehnt den Jahreswechsel so sehr herbei wie Draxler. Dann ist das Theater hoffentlich vorbei. Klappe, die letzte.