Oberstdorf. Am Sonntag beginnt die Skisaison der Alpinen, und der Slalomspezialist kam gut durch die Vorbereitung.

In seinem Elternhaus daheim in Garmisch könnte Felix Neureuther den Museumsdirektor spielen. So viele Pokale und Auszeichnungen hat Deutschlands erfolgreichste Skifamilie zusammengetragen. In den 1970er-Jahren haben Rosi Mittermaier und Christian Neureuther abgeräumt, heute ist ihr Sohn Felix einer der großen Stars im alpinen Ski-
zirkus. Der Slalomspezialist sitzt gerade auf gepackten Koffern. Ein Telefongespräch kurz vor seiner Abreise zum Weltcupauftakt in Sölden.

Auf welchem Berg erwische ich Sie?

Die Höhe ist überschaubar. Ich befinde mich auf dem Couchberg (lacht). Ich bin zu Hause.

Sind Sie gut durch den Sommer gekommen?

Ausgesprochen gut. Das war ja nicht immer so. In den vergangenen Jahren hatte ich oft Probleme und konnte nicht so trainieren, wie ich wollte. Aber dieses Jahr hat alles funktioniert. Ich liege voll im Plan.

Sie sind 32 und haben schon einige Weltcup-Jahre hinter sich. Welche Stelle Ihres Körpers schmerzt an harten Tagen am meisten?

Bei mir ist es der Rücken. Das ist meine Schwachstelle, die sich immer wieder bemerkbar macht. Leider.

Hat es auch Vorteile, im Weltcup einer der Älteren zu sein?

Auf jeden Fall, ja. Man weiß Situationen besser einzuschätzen, weil man alles schon mal erlebt hat. Das ist vor allem bei Großereignissen wie Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen von Vorteil. Man kennt die Hänge, ist überall schon mal gefahren. Auch wenn der Kurs jedes Mal anders gesteckt ist, sind die Verhältnisse doch bekannt. Insgesamt bin ich jetzt abgebrühter, würde ich fast sagen.

Blickt man in der Vorbereitung auch mal zur Konkurrenz rüber? Haben Sie also Marcel Hirscher und Henrik Kristoffersen beobachtet?

In den vergangenen Monaten haben wir uns aus den Augen verloren und überwiegend an unterschiedlichen Orten trainiert. Mit einer Ausnahme: Im Pitztal haben Marcel und ich nebeneinander trainiert. Da schaut man schon mal, wie der andere so drauf ist.

Sie haben viele große Rennen gewonnen. Aber zwei Sachen fehlen noch: Die Kristallkugel für den Gesamtsieg im Slalom-Weltcup und die Olympia-Medaille. Wie realistisch sind diese Ziele?

Ich denke, dass ich von der Technik her in diesem Winter in der Lage sein werde, an meine Leistungen von vor zwei oder drei Jahren heranzukommen. Damals war ich ganz knapp an der Slalomkugel dran, aber es muss schon alles passen. Und Olympia, klar, das ist ein großes Ziel. Ich arbeite auf die Spiele 2018 hin.

Die finden in Südkorea statt und vier Jahre später in Peking. Beide Orte gelten nicht unbedingt als Wiege des Wintersports. Sie haben durchblicken lassen, dass Sie mit dieser Entscheidung nicht wirklich glücklich sind. Warum nicht?

Es ist richtig, dass mir die Vergabe der Olympischen Spiele an bestimmte Orte nicht geschmeckt hat. Da hat das IOC Fehler gemacht, die sich schwierig wieder ausmerzen lassen. Dadurch ist die Sportbegeisterung in Europa leider etwas verloren gegangen.

Wie kann die Freude denn zurückkehren?

Bei einigen Entscheidungen geht es zu sehr um das Geld. Wir müssen weg von dieser Kommerzialisierung des Sports. Gerade bei den Olympischen Spielen muss uns allen bewusstwerden, dass weniger auch mehr sein kann. Die Spiele sollten nicht so vollgestopft werden mit immer neuen Programmpunkten und Wettbewerben. Wir sollten uns lieber auf das Wesentliche konzentrieren, dann explodieren auch die Kosten nicht so.

Sie sind jemand, der auch über den Tellerrand hinausblickt. Sie setzen sich für Kinder ein, treten in Quiz-Shows auf und versorgen über eine halbe Million Facebook-Fans mit Fotos aus Ihrem Leben. Wie wichtig ist es, den Kontakt zur Öffentlichkeit zu pflegen?

Das ist ganz entscheidend. Die Leute identifizieren sich mit einem und fiebern mit. Es freut mich sehr, wenn ich erlebe, wie man Menschen für etwas begeistern kann. Vor allem dann, wenn sie etwas nicht nur vor dem Fernseher wahrnehmen, sondern auch rausgehen, Ski fahren oder die Natur erleben. Gerade bin ich wieder von einer älteren Frau angesprochen worden, die mir sagte, dass ich sie motiviert hätte, auch im Alter noch Sport zu treiben. Man muss die Menschen über die Emotionen erreichen. Ein Weltcupsieg ist schön, aber solche Erlebnisse beeindrucken mich auch.