Braunschweig. Mein perfektes Wochenende: Susanne Nolte ist Sprach- und Kulturpatin. Am Wochenende zeigt sie Flüchtlingen unseren Alltag.

Wer freut sich nach einer anstrengenden Arbeitswoche nicht aufs freie Wochenende? Endlich Zeit, etwas mit der Familie zu unternehmen, Freunde zu besuchen, einem Hobby nachzugehen oder einfach auf dem Sofa zu entspannen. Viele Menschen haben einen anderen Ausgleich für den beruflichen Stress: Sie sind am Wochenende fleißig – ehrenamtlich.

Ahmad Rasoul und Susanne Nolte stehen im Herzog-Anton-Ulrich-Museum vor dem Familienbild von Rembrandt.
Ahmad Rasoul und Susanne Nolte stehen im Herzog-Anton-Ulrich-Museum vor dem Familienbild von Rembrandt. © Florian Kleinschmidt/BestPixels.de

Zum Beispiel Susanne Nolte. Die Verwaltungsangestellte ist seit April vergangenen Jahres Sprach- und Kulturpatin und zeigt zwei Flüchtlingen, wie wir leben. Mit jedem der jungen Männer verbringt die Braunschweigerin zwei bis drei Stunden in der Woche. Kennengelernt haben sie sich über die Freiwilligenagentur und die Caritas Braunschweig.

Susanne Nolte findet, das sei eine „sehr schöne“ Wochenend-Beschäftigung: „Es macht Spaß und ich entspanne dabei durchaus.“ Denn sie unternimmt mit ihren beiden Schützlingen viele Dinge, die sie sonst auch tun würde: ins Museum oder in die Stadtbibliothek gehen, einkaufen, Konzerte besuchen. Dank Ehrenamtskarte ist der Eintritt in viele Einrichtungen kostenlos.

Ehrenamtliche engagieren sich für Flüchtlinge

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    Mit Ahmad Rasoul streift sie zum Beispiel durchs Herzog-Anton-Ulrich-Museum. „Giorgiones Selbstbildnis ist seit meiner Schulzeit mein Lieblingsbild“, erzählt sie ihm. Ahmad Rasoul dagegen mag die Gemälde, die Geschichten erzählen, Göttermythen zum Beispiel. Zusammen stehen sie vor Rembrandts Familienbild. Der niederländische Maler zeigt Vater, Mutter und drei Kinder im innigen Miteinander. Ahmad Rasoul hat seine Familie seit fünf Jahren nicht gesehen.

    Mit damals 20 Jahren ist der Kurde wegen des Bürgerkriegs aus Syrien geflohen, ebenso wie eine Schwester und ein Bruder. Seine Eltern und die Mehrzahl seiner neun Brüder und drei Schwestern leben noch in Syrien. Die Schule konnte der junge Mann in seiner Heimat nicht abschließen, wie er sagt. Nach seiner Flucht lebte er zuerst in Zwickau, seit gut einem Jahr ist er in Braunschweig, teilt sich eine kleine Wohnung mit einem anderen Flüchtling. „Susanne ist hier meine Familie“, sagt er, „sie hilft mir, obwohl sie die ganze Woche arbeiten muss.“

    Seit Oktober vergangenen Jahres unterstützt ihn seine Sprach- und Kulturpatin. Susanne Nolte ist dafür von der Freiwilligenagentur nicht ausgebildet worden: „Wie man mit seinen ,Patenkindern‘ umgeht, muss jeder selbst herausfinden. Zum Beispiel lernen meine Beiden deutsche Vokabeln am leichtesten in Alltagssituationen. Einkaufen zum Beispiel. Wir haben auch schon bei Ahmad und bei mir zusammen gekocht. Oder wir haben in der Disco getanzt.“

    Ahmad Rasoul und Susanne Nolte unternehmen fast an jedem Wochenende etwas gemeinsam. Hier sitzen sie im Café.
    Ahmad Rasoul und Susanne Nolte unternehmen fast an jedem Wochenende etwas gemeinsam. Hier sitzen sie im Café.

    Ahmad Rasoul lernt dank ihrer Vermittlung gerade Schwimmen. Als er in unserem Gespräch im Museums-Café erzählt, er würde gerne Fußball spielen, kommt der Kellner dazu. Der trainiert im Sportverein Ege Braunschweig eine „Multikulti-Truppe“, wie er sagt, und lädt den 25-Jährigen dazu ein: „Für Flüchtlinge ist das kostenlos.“ Ahmad Rasoul freut sich über das spontane Angebot. „Ich finde es schön hier in Braunschweig, es gibt viele nette Leute“, schwärmt er.

    Ahmad Rasoul möchte gerne hier bleiben. Den ersten Deutschkursus hat er gemeistert und will nun den Aufbaukursus schaffen: „Ich möchte eine technische Ausbildung machen.“ Susanne Nolte übt mit ihm, wie man einen Lebenslauf und eine Bewerbung schreibt. Ihr zweiter Schützling, ebenfalls ein syrischer Flüchtling, hat den ersten Deutschkursus bestanden und jobbt. In seiner Heimat hat der heute 31-Jährige Wirtschaftswissenschaften studiert,

    Ahmad Rasoul und Susanne Nolte stehen im Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig vor dem Familienbild von Rembrandt. Ahmad Rasoul hat seine Familie seit fünf Jahren nicht gesehen. Susanne Nolte ist ein bisschen seine Familie geworden.
    Ahmad Rasoul und Susanne Nolte stehen im Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig vor dem Familienbild von Rembrandt. Ahmad Rasoul hat seine Familie seit fünf Jahren nicht gesehen. Susanne Nolte ist ein bisschen seine Familie geworden. © Florian Kleinschmidt/BestPixels.de

    sein Abschluss wird hier nicht anerkannt. Susanne Nolte hat beiden Männern schon bei manchem bürokratischen Problem geholfen. Tipps erhält sie bei Vortragsabenden, die die Freiwilligenagentur zum Beispiel zum Asyl- und Sozialrecht anbietet. Es gibt auch Treffen, bei denen sich die Paten austauschen.

    Kann die Braunschweigerin anderen empfehlen, Sprach- und Kulturpate zu werden? Unbedingt, sagt sie: „Ich empfinde diese Stunden als Bereicherung, ich lerne viel: andere Arten, zu leben und die Welt zu betrachten. Das Ehrenamt erweitert meinen Horizont.“ Und trotzdem bleibe noch Zeit für Hobbys. Und was sollten Paten mitbringen? „Sie sollten offen sein und bereit, sich auch mit unliebsamen Dingen auseinander zu setzen. Zum Beispiel damit, dass unsere Schützlinge vielleicht wieder gehen müssen, wenn sie uns ans Herz gewachsen sind.“

    Möchten Sie ehrenamtlich tätig werden, wissen aber nicht, wo und wie? Freiwilligenagenturen beraten Sie:

    Freiwilligen-Agentur Braunschweig, Sonnenstraße 13, (05 31) 4 81 10 20, info.bs@freiwillig-engagiert.de, www.freiwilligenagentur-braunschweig.de

    Koordinierungsstelle zur Stärkung des Ehrenamts beim Kreis Gifhorn: Sevdeal Erkan-Cours, (0 53 71) 8 27 83, sev- dean.erkan.cours@gifhorn.de

    Der Paritätische Helmstedt, (0 53 51) 54 19 10, helmstedt@paritaetischer.de

    Freiwilligen-Agentur des Paritätischen Peine: Gabriele Daniel und Katja Wendhausen, (0 51 71) 9 40 95 62, gabriele.daniel@paritaetischer.de

    Freiwilligenzentrum Salzgitter, in der Citytor-Passage, Fischzug 2, (0 53 41) 9 10 47 91, fzsz@hotmail.de, www.fz-sz.de

    Freiwilligenagentur Wolfsburg, Stadt Wolfsburg, Rathaus B, Zi B271, Porschestraße 49, (0 53 61) 28 19 97,

    engagiert@stadt.wolfsburg.de, www.wolfsburg.de/engagiert