Papenburg. Papenburg ist vor allem durch die Meyer Werft bekannt. Doch die Stadt an der Ems hält noch weitere Sehenswürdigkeiten bereit.

Die größten Kreuzfahrtschiffe der Welt laufen hier vom Stapel. Die Meyer Werft hat Papenburg weltberühmt gemacht. Auch sonst überrascht das „Venedig an der Ems“. Kanäle wie Grachten, weiße Ziehbrücken, Häuser mit geschwungenen Giebeln und rundum plattes Land. Das nahe Holland lässt grüßen. Und ein bisschen eben auch Venedig. Glamourös ist das emsländische Papenburg nicht. Glamour wird produziert in den beiden größten Trockendocks der Welt auf der Meyer Werft. Mit imposanten Kreuzfahrtschiffen, die von hier aus die Weltmeere befahren und den guten Ruf ihres Geburtsortes in alle Winde tragen.

Beschaulich geht es an diesem Ort im Nirgendwo zu, bodenständig. Dass in der Stadt ohne Stadtmitte gigantische Ozeanriesen gebaut werden, dass internationale Reedereien wie Royal Carribean, Norwegian Cruise Line und Star Cruises ihre teils über eine Milliarde Dollar teuren Luxusliner in der Meyer Werft ordern, lässt sich auf den ersten Blick nicht erahnen.

Meyer Werft hat mittlerweile mehr als 44 Luxusliner fertiggestellt

Papenburg

Drei Schiffe pro Jahr verlassen im Schnitt die Werft; von Tausenden Schaulustigen bewundert, gleiten sie rückwärts in die Ems. Gerade lässt die Rostocker Reederei Aida Cruises die beiden ersten Kreuzfahrtschiffe weltweit bauen, die ausschließlich mit dem umweltfreundlichen Flüssiggas (LNG) angetrieben werden. Ende 2018 wird die „Aidanova“ in See stechen, 2021 ihre baugleiche Schwester. Ein extra eingerichteter Ausstellungsbereich im Besucherzentrum informiert über ihren Fortschritt, sogar die eigene Unterschrift darf man in ein Stück Stahl ritzen, das für den Bau der Aida verwendet wird. Rostfrei für immer.

Eingestimmt auf die hautnahe Besichtigung werden Gäste auf dem Wahrzeichen der Stadt, der Brigg „Friederike von Papenburg“, die als Teil des schwimmenden Schifffahrtsmuseums direkt vor dem Rathaus im Hauptkanal dümpelt. Wie fünf weitere Nachbauten von Segelschiffen in den Kanälen, deren Originale einst zum Torftransport dienten, sind sie ganz aus Holz gebaut. Mächtig stolz war man auf die hölzernen Segler zur Blütezeit der Hochseeschifffahrt, als es in Papenburg 29 Werften gab. 392 hochseetüchtige Schiffe waren von 1775 bis 1860 registriert. Überlebt hat nur die Meyer Werft. Weil Josef Lambert Meyer (1846–1920), der in Amerika Schiffbau studiert hatte, den Mut besaß, zu sagen: „Auch Eisen kann schwimmen.“ Gegen die Überzeugung seines Vaters Franziskus Wilms Meyer baute er ab 1860 dampfbetriebene Eisenschiffe, während die anderen Werften mit Holzschiffen sehenden Auges in den Ruin segelten. Die Erfolgsgeschichte der Meyer Werft, die sich inzwischen in siebter Generation befindet, nahm ihren Anfang. Heute beschäftigt sie als wichtigster Arbeitgeber der Region mehr als 3300 Mitarbeiter und hat inzwischen über 44 Luxusliner fertiggestellt.

„Die Meyer Werft ist der Ort, an dem Pioniergeist täglich gelebt wird“, sagt Papenburgs Marketingchef Kai-Olaf Nehe. Wie viele andere ist auch er von seiner Heimatstadt ausgezogen, um anderswo Erfahrungen zu sammeln. Erst mal. Um dann zurückzukehren und seine Erfahrungen einzubringen. Vielleicht mag die überraschende Anziehungskraft von Papenburg auch daran liegen, dass die Stadt es den Menschen so einfach macht. „Wer in Papenburg einen über den Durst getrunken hat“, heißt es, „muss immer nur am Kanal entlanggehen. Dann findet er schon nach Hause.“ Oder in sein Hotel.

Und wieder zwei Superlative: Papenburg steht für Deutschlands älteste und längste Fehnkolonie. Das Wort „Fehn“ stammt vom holländischen Wort für Moor: Venn. Durch ihre Ursprünge führt das „wandelnde Geschichtsbuch“ Ludger Stukenborg – ein ehemaliger Schulleiter. Im blau-weiß-gestreiften Fischerhemd und mit Helmut-Schmidt-Gedächtnismütze führt er, zwischen Hochdeutsch und Platt balancierend, seine Zuhörer im Freilichtmuseum Van Velen zurück in eine Zeit, als die Torfstecher bettelarm waren und die Kussmundflotte der Aida noch Lichtjahre entfernt. Als sie in grasgedeckten Katen – winzigen Erdhügeln – lebten und im Moor nach Torf gruben, dem Gold des Emslandes. 1631 hatte Drost (Landrat) Dietrich von Velen begonnen, das Moor zu entwässern, das er als Lehen erhalten hatte. Vom Moor ins Meer: Mit dem großen Boom des Schiffsbaus und dem Ausklingen des Exports von Torf wurden aus einstigen Torfstechern Hochseekapitäne.

Größter Umschlagplatz für Küchenkräuter

Von Irrlichtern berichtet Ludger Stukenborg und von Moorleichen wie dem „roten Franz“. Der sei zwar nicht hier gefunden worden, sondern in Husbeke. Trotzdem – eines leichten Schauderns kann sich niemand erwehren. Gut, dass Stukenborg mit seinem Trägerverein auch das gegenüberliegende Papenbörger Hus erworben hat. Im bäuerlichen Ambiente wärmen Schnaps, Tee und Preiselbeer-Pfannkuchen das Gemüt. Ob Fußballmanager Rainer Calmund einst wirklich 19 Stück geschafft hat, ist nicht schriftlich überliefert. Dokumentiert ist hingegen das Ritual des Teetrinkens: „Auf keinen Fall Sahne und Kandis umrühren, sondern die Sahne als Wölkchen auf dem Tee schweben lassen“, heißt es.

Lebendige Geschichte zum Anfassen bietet auch der Papenburger Zeitspeicher. Interaktiv wird die Entstehung der Stadt und des Schiffbaus nachvollzogen. Der Star ist die „Graf Goetzen“, die in dem Hollywood-Klassiker „African Queen“ als kanonenbewehrte „Luisa“ an der Seite von Katharine Hepburn und Humphrey

Bogart Weltruhm erlangte. Und dann wartet schon die nächste

Besonderheit: Deutschlands größter Kräuter-Umschlagplatz. „Wir produzieren 80 Prozent aller frischen Küchenkräuter“, erklärt Andreas Brinker von der Gartenbauzentrale GBZ. „In den Papenburger Gärtnereien werden auf 88 Hektar Zierpflanzen, Salatgurken und Kräuter angebaut.“ Die GBZ – Spitzname „Basilikum Connection“ – beliefert alle großen Supermarktketten der Republik.

„Kiek mol weer in!“, sagt Ludger Stukenborg zum Abschied. „Schau mal wieder vorbei!“ – an diesen Ort im platten Land, von dem man nichts erwartet hat, der aber ganz unerwartet vielseitig ist.