Mittelberg. Andrea und Florian Steck lieben die Berge. Deshalb haben sie auf der Braunschweiger Hütte Hochzeit gefeiert.

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Das gab’s noch nie: eine Hochzeitsfeier in Braunschweigs höchstem Haus. Stolze 125 Jahre wird die Braunschweiger Hütte des Deutschen Alpenvereins nächstes Jahr. Kürzlich feierte erstmals eine ganze Hochzeitsgesellschaft in der traditionsreichen Bergsteigerunterkunft in 2759 Metern Höhe.

Florian Steck liebt die Berge. Sein Großvater reiste schon in den 1960er Jahren regelmäßig nach Tirol, als es noch keinen Massentourismus gab. „Seitdem gehört das Pitztal zur Familientradition, über drei Generationen sind Freundschaften fürs Leben entstanden“, sagt Florian.

„So etwas hat es in knapp 125 Jahren Hüttengeschichte noch nicht gegeben.“
„So etwas hat es in knapp 125 Jahren Hüttengeschichte noch nicht gegeben.“ © Armin Rogge, Hüttenwart der Alpenvereinssektion Braunschweig

(Eine Anmerkung: Oberhalb von 2000 Metern duzt man sich).

Selbstverständlich ist Florian (35), Oralchirurg in Stuttgart, auch mit seiner Freundin Andrea (33), Anästhesistin in Augsburg, ins Pitztal gefahren – zum Bergsteigen, für Skitouren. Bei einer Skitour im vergangenen Februar auf einen Dreitausender im Kaunergrat machte Florian ihr den Antrag. Sie sagte „Ja“ – und flugs hatten beide den Ort im Auge, an dem sie Hochzeit feiern wollten: die Braunschweiger Hütte, jenseits des Tales auf einem Felsbuckel mit fantastischer Aussicht auf die zackigen Gipfel des Kaunergrats und zur Wildspitze.

„Es war etwas ganz Besonderes für uns, hier oben eine Hochzeitsfeier auszurichten.“
„Es war etwas ganz Besonderes für uns, hier oben eine Hochzeitsfeier auszurichten.“ © Stefan Neurauter bewirtschaftet die Braunschweiger Hütte mit seiner Familie

Doch kann man in einer Alpenvereinshütte, die eigentlich Bergsteigern bescheidene Unterkunft bietet, festlich tafeln und stilvoll feiern? Man kann, jedenfalls wenn man das ursprünglich-alpine Ambiente schätzt und tüchtige Helfer im Tal hat. Die engen Kontakte der Familie Steck zu den Einheimischen waren die Basis für ein – wie die Brautleute sagen – „perfektes Abenteuer “.

Bergführer Raphael Eiter, der Andrea und Florian bei vielen Touren begleitet hat, organisierte mit Hüttenwirt Stefan Neurauter die Logistik: Gepäcktransport, Unterkunft und Verpflegung für eine 115-köpfige Hochzeitsgesellschaft. Die Gäste reisten freitags an und übernachteten im Tal. Am Samstag, 17. September, ging es morgens mit dem „Gletscherexpress“ zur Bergstation in 2800 Metern Höhe. Dort steht die futuristische „Kapelle des weißen Lichtes“, erbaut nach Plänen des Künstlers Rudi Wach. Angehörige und Freunde des Brautpaars umrahmten die Trauung mit Musik und Lesungen.

„Unten Nieselregen, oben Schnee – perfekt für uns“, sagt Florian. Dass ausgerechnet an diesem Wochenende ein Wettersturz den Altweibersommer in ein Winter-Intermezzo verwandelte, war für das Brautpaar kein Wermutstropfen. „Damit musst du in den Bergen immer rechnen. Und das Erlebnis war für uns und unsere Gäste im Schnee sogar noch größer“, schwärmt Andrea. Sie heiratete in einem weißen Kleid in einer Kapelle aus weißem Carrara-Granit inmitten schneeweißer Gipfel – wohl ziemlich einmalig.

Einmalig war auch die folgende zweistündige Winterwanderung hinüber zur Braunschweiger Hütte. Angeführt von Armin Rogge, Hüttenwart der Alpenvereinssektion Braunschweig, verschwand die Hochzeitskarawane in einer Nebelwand und folgte den Markierungen über den Mittelbergferner. Eigentlich ist eine Gletscherquerung im Nebel heikel, doch die Passage zwischen Gletscherbahn und Hütte umgeht die Spalten und gilt als sicher. Trotzdem: „Als die Hütte auftauchte, waren alle erleichtert“, sagt Florian. Die Gäste bildeten aus ihren Wanderstöcken ein Spalier, unter dem das Brautpaar die letzten Meter zurücklegte. Das Ötztaler Duo Leni und Werner begrüßte die Gruppe mit echter Volksmusik, noch beim Sektempfang gab es den ersten Hochzeitstanz.

Zum Abendessen erschienen die meisten Gäste in Dirndl beziehungsweise Lederhosen – Anzug oder Abendkleid wären unpassend gewesen. Später heizten zwei DJs der Hochzeitsgesellschaft mit deutschem Hip-Hop ein. „Die Stimmung war super“, schwärmt Florian. Er will die Feier nicht als touristische Inszenierung in einer romantischen Bergkulisse verstanden wissen: „Für uns ist das Pitztal zur zweiten Heimat geworden. Wir mögen und respektieren die Tiroler. Es war eine Ehre, bei ihnen heiraten zu dürfen.“

Auch Hüttenwirt Stefan Neurauter ist stolz, dass Service und Atmosphäre auf „seiner“ Hütte die Gäste so sehr begeistert haben. Neurauters Devise heißt zupacken statt reden – er ist halt ein echter Bergler. So viel lässt er sich dann doch über den ungewöhnlichen Saisonabschluss entlocken: „Es war etwas ganz Besonderes für uns, hier oben eine Hochzeitsfeier auszurichten.“ Neurauters Schwiegermutter Cilli Auer zauberte Weinschaumsüppchen und Boeff Stroganoff statt Knödelsuppe und Tiroler Gröstl. Die Gaststube war festlich eingedeckt und dekoriert – mit Tischkarten und Blumen.

„Florian, Andrea, Stefan und sein Team haben die Feier unglaublich toll vorbereitet und ausgerichtet“, sagt Armin Rogge. Er gratulierte dem Brautpaar im Namen des Braunschweiger Alpenvereins, denn: „Eine Hochzeitsfeier hat es in knapp 125 Jahren Hüttengeschichte noch nicht gegeben.“ Ein Jahr vor dem großen Jubiläum kann er einen Rekord vermelden: 13 814 Übernachtungen stehen für die abgelaufene Sommersaison im Hüttenbuch. Die meisten Gäste überqueren die Alpen von Oberstdorf nach Meran. Dieses Abenteuer lässt sich kaufen – anders als Florians und Andreas Hochzeit ganz in Weiß.