Naumburg. In der Saale-Unstrut-Region erleben Besucher Natur, Kultur und guten Wein.

Der prachtvolle Naumburger Dom ist das Wahrzeichen der Stadt.
Der prachtvolle Naumburger Dom ist das Wahrzeichen der Stadt.

Wer im Freundeskreis erwähnt, dass er demnächst in Sachsen-Anhalt Urlaub macht, unweit des ehemaligen DDR-Chemiestandortes Leuna, dem ist Aufmerksamkeit gewiss. Wird dann erklärt, dass sich dort eine landschaftlich wunderschöne Weinregion befindet, reich an Kulturschätzen obendrein, sorgt das für ungläubiges Staunen. Die Saale-Unstrut-Region ist für viele noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Gut so, mag sich jener denken, der die Gegend für sich entdeckt hat. Auf diese Weise bleibt der Region eine weitere Eigenschaft erhalten: die wunderbare Ruhe.

Von der hölzernen Veranda hat man einen herrlichen Ausblick

Vom Rokokoschloss Dornburg aus reicht der Blick über das weite Saaletal und den Fluss.
Vom Rokokoschloss Dornburg aus reicht der Blick über das weite Saaletal und den Fluss. © Getty images

Unsere Reise führt uns in die Weinberge oberhalb der Stadt Naumburg. Über einen staubigen Schotterweg erreichen wir die sogenannte Turmherberge des Weingutes „Der Steinmeister“. Wir öffnen ein hölzernes Gatter, parken das Auto im hohen Gras. Am Ende eines Trampelpfades finden wir unseren Bestimmungsort: Ein Ferienhaus, innen holzgetäfelt, ein Ort von rustikalem Charme. W-Lan wird man vergeblich suchen, dafür gibt es einen Kaminofen und im Regal viele Kinder- und Jugendbücher aus DDR-Zeiten.

Weinanbau im Gebiet von Saale und Unstrut: Hier werden Weißburgunder und Riesling sowie Rotweintrauben angebaut.
Weinanbau im Gebiet von Saale und Unstrut: Hier werden Weißburgunder und Riesling sowie Rotweintrauben angebaut.

Und dann ist da die breite, hölzerne Veranda: wie ein sonniger Balkon, mit herrlichem Ausblick. Der Blick schweift über die steil abfallenden Weinhänge und über das Tal, unten fließt die Saale, wir entdecken die Türme des Naumburger Doms. Ganz in der Nähe, hinter Bäumen, steht jener Turm, der unserer Herberge ihren Namen gibt. Ein eckiges, altes Bauwerk aus Natursteinen.

Der Weg zum Haupthaus des Weingutes geht einen steilen, gewundenen Weg hinab, mitten durch Weinhänge und Steinterrassen. Im Garten des alten Gutshauses spielt eine Jazzband, wir setzen uns und bestellen eine kleine Brotzeit, dazu einige Gläser von den Erzeugnissen des Gutes. Etwas später treffen wir die Hausherrin Maria Wartenberg. Mit ihrem Mann Heinrich Sauer betreibt sie das Weingut und die Ferienhäuser – insgesamt sind es sechs – im Nebenerwerb. Denn
eigentlich ist sie Wissenschaftlerin, die Biophysikerin hat eine Professur an der medizinischen Fakultät der Universität Jena. Ihr Mann, Biologe und ebenfalls Professor, arbeitet an der Universität
Gießen.

„Ich habe das Weingut von meinem Vater geerbt“, sagt Maria Wartenberg, die in Naumburg geboren und aufgewachsen ist. „Zu DDR-Zeiten lag der Berg brach, er war völlig verwildert. Nach der Wende haben wir den Ehrgeiz entwickelt, hier wieder Wein anzubauen.“ Schließlich, so Maria Wartenberg, hat die Lage „Der Steinmeister“, in dessen Kerngebiet ihr Gut liegt, lange Tradition: „Die Zisterziensermönche, die um das Jahr 1100 ins Saaletal kamen, haben hier mit dem Weinbau begonnen.“ Sie gründeten auch das Kloster Pforta, das nur wenige Kilometer entfernt liegt.

Den Besuch der mittelalterlichen Anlage, die heute ein Weingut beherbergt, haben wir uns für die nächsten Tage vorgenommen. Wie Maria Wartenberg erklärt, gibt es eine enge Verbindung zu ihrem Gut. „Bestimmte Weinberge waren einzelnen Bereichen des Klosters zugeordnet, unserer vermutlich den Steinmetzen. Daher der Name ‚Steinmeister‘.“ Auch über den Turm an unserer Herberge weiß sie mehr: „Der wurde vor mehr als 300 Jahren erbaut. Nachts saßen darin bewaffnete Wachleute, denn damals wurden die Trauben oft geklaut.“

Den Abend lassen wir im Garten ausklingen. Später geht es hinauf auf unseren Berg, wo wir bestens schlafen. Nach dem Frühstück, das wir unten im Gutshaus bekommen, geht es nach Naumburg. Die mittelalterliche Altstadt gefällt uns auf Anhieb, es gibt reich verzierte Bürgerhäuser und kleine Geschäfte, Restaurants bieten deftiges Essen aus der Region an. Trotz ihrer Reize wirkt die Stadt auf angenehme Art verschlafen, hier und da fotografiert ein älteres Touristenpaar eine Barock- oder Renaissancefassade, doch es schieben sich keine Massen durch die Gassen.

Vielleicht ändert sich das, wenn die Stadt ein bedeutsames Siegel erhält: Die Bundesrepublik Deutschland hat bei der Unesco die Aufnahme des Naumburger Doms auf die Liste der Weltkulturerbestätten beantragt, mitsamt der Kulturlandschaft an Saale und Unstrut. Eine Entscheidung wird im Jahr 2017 fallen.

Wir wünschen Glück, genießen bis dahin die Ruhe und sehen uns natürlich den Dom an, das Wahrzeichen der Stadt. Im Inneren finden wir „Uta“ und „Ekkehard“ – zwei der zwölf Stifterfiguren aus Sandstein, die zu den bedeutendsten deutschen Skulpturen des Mittelalters zählen. Wieder draußen, schlendern wir über den Marktplatz und kaufen Fleisch, Fisch und Gemüse, für den Grillabend auf dem Berg.

Das kühle Klima macht

die Weine so besonders

Für die Getränke fahren wir auf dem Rückweg bei dem Winzer Matthias Hey vorbei, dessen Gut in der Nachbarschaft unserer Gastgeber liegt. Hey, Jahrgang 1982, ist so etwas wie ein Jungstar unter den deutschen Winzern. Er studierte Weinbau an der renommierten Hochschule in Geisenheim am Rhein, schloss mit einem der besten Diplome ab und erweiterte sein Wissen im italienischen Friaul. Seit 2008 führt er das Weingut, das seine Eltern nach der Wende kauften und als Hobbywinzer betrieben.

„Es ist ein Familienbetrieb“, betont der junge Winzer, den wir im Garten seines Gutes treffen. Matthias Hey baut Riesling und Weißburgunder an, außerdem wachsen auf seinen Hängen die Rotweintrauben Blauer Zweigelt und Spätburgunder. Was die Weine in der Region so besonders und unverwechselbar macht, formuliert er so: „Wir sind eine Region mit einem vergleichsweise kühlen Klima. Das erlaubt es uns, fruchtbetonte, leichte und frische Weine zu machen.“