Ciutadella. Menorca steht für Natur, Kultur und gutes Essen. Die Insel bietet das Kontrastprogramm zur Glitzerwelt Ibizas.

Die Menorquiner sagen, es sei der einzige Berg der Insel. 357 Meter hoch erhebt sich der Monte Toro in der Inselmitte. Eine Jesusfigur mit ausgebreiteten Armen – eine kleinere Version der Figur von Rio de Janeiro – blickt beschützend aufs Land herab. Der Belgier Alvin Delanghe, der seit mehr als 20 Jahren auf der Insel lebt, erzählt, der Name
„Balearen“ stamme von dem Begriff Steinewerfer ab. Diese hätten es zu Zeiten Hannibals zu großer Kunst gebracht und sich bei diversen Kriegen als Söldner in „Eliteeinheiten“ der Armeen damaliger Herrscher verdingt. Wir glauben ihm die Geschichte. Das Schicksal des strategisch günstig gelegenen Eilands brachte über die Jahrhunderte wechselnde kulturelle Einflüsse mit sich. Phönizier, Griechen, Karthager, Römer, Vandalen, Spanier, Briten und Franzosen – die Zahl jener, die zeitweise über die Insel herrschten, ist groß.

Heute noch spürbar ist der Einfluss der Engländer – beispielsweise beim Lieblingsgetränk der Menorquiner, der aus Zitronenlimonade und inseleigenem Gin gemischten Pomada.

Gebäude mit mehr als drei Stockwerken sind verboten

Es ist aber wohl eher das milde mediterrane Klima, das Touristen – vor allem aus Großbritannien – anzieht. Wer das Mittelmeerklima sucht, die Rummeligkeit Mallorcas und Glitzerwelt Ibizas aber vermeiden will, findet in Menorca einen Ort, an dem sich mehrere Dinge miteinander verbinden lassen: Strand, Wandern, Kultur und Kulinarik.

Fangen wir bei den Äußerlichkeiten an. Anfang der 70er Jahre hatten die spanischen Behörden die Idee für ein Gesetz, das den Bau von Gebäuden verbot, die mehr als drei Stockwerke hoch sind. In den 80ern kam der Entschluss hinzu, gut die Hälfte der Insel zum Biosphärenreservat zu erklären. Die Folge: die Zahl der „Bettenburgen“ ist überschaubar. Stattdessen überwiegen Ferienhaussiedlungen mit dörflichem Charakter.

Wer von der Hauptstadt Mahon gut 50 Kilometer westwärts vorbei an Hügeln und wilden Olivenbäumen über die wichtigste (und einzig bedeutende) Straße fährt, erreicht – am anderen Ende der Insel – Ciutadella. Beide Städtchen zählen jeweils nicht mehr als 30 000 Einwohner und stehen sich, glaubt man den Einheimischen, seit Jahrhunderten unversöhnlich gegenüber. Das mag daran liegen, dass ursprünglich Ciutadella die Kapitale war, bis die Briten 1722 Mahon zur Hauptstadt der Insel erklärten.

Den Urlauber wird die Rivalität nicht stören, er sollte beide Orte besuchen. Mahon vereint in seinem von engen Gassen geprägten Zentrum englische Architektur mit mediterraner Atmosphäre. Sein fjordartiger, fünfeinhalb Kilometer langer Hafen gilt nach jenem von Sydney als der weltweit zweitgrößte Naturhafen. Eine mächtige Festung – Sant Felip – an der Hafeneinfahrt erinnert an die wechselvolle Geschichte. Ciutadella wiederum hat sich seinen mittelalterlichen Charme bewahrt. Aus Angst vor Eroberern suchten in früheren Jahrhunderten reiche Landbesitzer Schutz innerhalb der Stadtmauern und ließen sich dort kleinere Paläste errichten.

Ohnehin scheint es ratsam, sich treiben zu lassen. Dazu gehört, in eines der vielen netten Cafés einzukehren und den geruhsamen Fluss des Lebens zu genießen. Ebenso wenig verzichtbar ist ein Besuch der Märkte. Auf dem Fischmarkt von Mahon beispielsweise geht es laut und geschäftig zu. Zur Mittagszeit muss man ein wenig drängeln, um an die Auslagen zu gelangen. Dann aber kann man sich nicht satt sehen: Felsenfische, Brassen, Barsche, Tintenfische, Rochen, Herzmuscheln, Schalentiere. Wem der Sinn nach anderem Essen steht, hat es nicht weit. Im gegenüberliegenden Teil des quadratisch angelegten Marktgebäudes werden Tapas, Schinken und Gemüsehäppchen angeboten.

Im Mai und September ist

die Insel ruhig und entspannt

Womit die menorquinische Küche in den Mittelpunkt rückt. Auch wenn Menorca über Jahrhunderte als die wohlhabendste der vier Balearen-Inseln galt, zeichnet sich ihre Küche durch Einfachheit aus. Auf den Tisch kam, was auf der Insel wuchs und im Meer gefangen wurde. Langusten gelten nach wie vor als teure Rarität – Schweine- und Rindfleisch, mächtig in Öl gebraten, nicht. Brot ist im Übrigen ein treuer Begleiter vieler menorquinischer Gerichte, seien die nun salzig oder süß. Wer über Menorcas Essen redet, darf den Käse nicht vergessen. Außerhalb der Insel ist er als „Käse von Mahon“ bekannt. Sein würziger Geschmack rührt vom Nordwind der Insel her. Dieser transportiert feinste Salzwasserpartikel, die zum höheren Salzgehalt des Grases führen. Den Kühen macht das nichts, doch die Milch schmeckt salzig – eignet sich aber bestens zur Käseherstellung.

Keine Frage, Menorca ist eine Ferieninsel mit Vor- und Nachteilen. 120 Flugzeuge landen in der Hochsaison – Juli und August – täglich dort. Dann wird es in den Einkaufsmeilen von Mahon und Ciutadella quetschend eng. Und natürlich sehen auch zwei- oder dreistöckige Feriensiedlungen nicht immer einladend aus. Wer sich aber Mühe gibt, findet versteckte Pensionen wie das Landhotel Canaxini, gut 20 Kilometer von Ciutadella entfernt gelegen.

Ihren größten Charme entwickelt die Insel „außerhalb“ der Saison, im Mai und September. Dann ist es ruhig und entspannt, das Klima mild, die Temperaturen nicht zu hoch, und von der See kommender Wind beschert den Besuchern laue Nächte. Im Mai ist die Insel noch grün, das Personal in den Restaurants, Cafeterias oder Bars weniger gehetzt.

Dann ist auch die Zeit für all jene, denen es nicht reicht, an einer versteckt gelegenen Bucht im türkisfarbenen Mittelmeerwasser zu baden. Ein 185 Kilometer langer ehemaliger Pferdeweg, der Camí de Cavalls, bietet sich an. Die Strecke ist noch nicht so ausgebaut und die Zahl der Übernachtungsmöglichkeiten so beschränkt, dass eine Umrundung der Insel zu Fuß „in einem Stück“ möglich ist.

„Einzelstrecken bieten sich an“, sagt Alvin Delanghe und schwärmt von der Zwei-Stunden-Wanderung zwischen Es Grau und dem Cap de Faväritx im Nordosten. Wer mit dem Mountainbike die Gegend erobern will, findet ausreichend Abschnitte, „die schon mal in die Beine gehen“. Vor allem belohnen derartige Ausflüge mit grandiosen Ausblicken auf das Meer und die umliegende Natur.