Grindelwald. Die Touristenmassen zieht es in Grindelwald zum Jungfraujoch. Dabei bietet der Ort zahlreiche schöne Wanderwege. Vorbei geht es an Gletscherbars.

Majestätisch ragen die Gipfel in den blauen Himmel, die schneebedeckten Berge scheinen fast die Wolken zu berühren. Am liebsten würde man sie alle besteigen: Eiger, Jungfrau, Mönch, Wetter- und Schreckhorn oder all die anderen Berge, die Grindelwald umgeben. Doch wer hat so viel Zeit? Auf der Suche nach den schönsten Bergwanderungen ist ein guter Bergführer Gold wert.

„Noch in den 80er Jahren reichte der Grindelwalder Obergletscher bis dort unten, wo er fast die Straße berührte.“
„Noch in den 80er Jahren reichte der Grindelwalder Obergletscher bis dort unten, wo er fast die Straße berührte.“ © Hans Schlunegger (71), Bergsteiger und Bergführer von Grindelwald

Hans Schlunegger gehört mit Sicherheit zu den erfahrensten Bergsteigern von Grindelwald. Seit seiner Kindheit erkundet der 71-Jährige per Ski, Rad und zu Fuß seine Heimat. Er zögert nicht lange: „Eine der schönsten Bergtouren führt zur Glecksteinhütte unterhalb des Wetterhorns, dem Hausberg von Grindelwald.“

Gesagt, getan: Treffpunkt ist am frühen Morgen auf dem Busbahnhof von Grindelwald. Während riesige Gruppen von Japanern und Indern zur Zahnradbahn in Richtung Kleine Scheidegg strömen, geht es gemütlich ein paar Busstationen in die entgegengesetzte Richtung zur Großen Scheidegg bis zum Beginn des Glecksteinweges auf 1558 Höhenmetern. „Ist jemand nicht schwindelfrei?“, fragt Schlunegger, bevor es über das erste Schneefeld geht. Zur Sicherheit hat er ein kurzes Seil in seinen Rucksack gepackt.

Nach einem steilen Anstieg über Kalkstein und Granit folgen tatsächlich einige ausgesetzte Stellen, die zumeist jedoch mit Stahlseilen gesichert sind. Weit unten taucht das Dach der ehemaligen Gletscherbar auf. „Noch in den 80er Jahren reichte der Grindelwalder Obergletscher bis dort unten, wo er fast die Straße berührte“, erinnert sich Schlunegger. „Von der Terrasse der Bar blickte man direkt auf die Gletscherzunge.“ Doch schon einige Jahre später zog sich das Eis zurück und geriet weit außerhalb des Blickfeldes der Hütte, die damit überflüssig wurde.

Hinter der nächsten Bergflanke hat Schlunegger bereits einen weiteren Zeitzeugen im Visier. Bei der ebenfalls verlassenen Hütte handelt es sich um die einstige Gondelstation der ersten von vier geplanten Etappen der Wetterhornbahn. „Irgendwann ging das Geld aus“, erzählt der Bergführer, „so dass der Bau der folgenden drei Abschnitte nicht mehr in Angriff genommen wurde. Und selbst der erste Abschnitt war nur von 1907 bis 1914 in Betrieb.“

Inzwischen liegt Grindelwald weit unten im Tal. Dahinter sind rechts die Bergstation der Firnbahn, weiter links die Bussalp und noch weiter der Männlichen und die Kleine Scheidegg auszumachen. Jetzt ändert sich der Charakter des Weges abrupt. Die Krüppelkiefernzone bleibt zurück und weicht sattgrünen Wiesen mit gelben, roten, blauen und lila Farbtupfern blühender Alpenrosen, Anemonen, Türkenbundblumen, Trollblumen, Enzian, Edelweiß und winziger Orchideen. Noch vor zehn Tagen hatte es hier geschneit, jetzt scheint die Natur mit einem Fest der Farben explodieren zu wollen.

Gespeist von der Schneeschmelze ergießen sich Bäche die Berghänge hinab. Nach einem längeren, nahezu ebenen Streckenabschnitt geht es erneut über Serpentinen bergauf. Plötzlich hallt ein gewaltiges Donnern durch das sich verengende Tal. Jetzt endlich kommt die Zunge des Gletschers ins Blickfeld, der noch vor 30 Jahren die Besucher der Gletscherbar fasziniert hatte.

Fast im Halbstundentakt brechen Eisblöcke aus der Wand heraus und verursachen ein beeindruckendes Getöse. Ein in der Sonne glänzender schwarzer Fels teilt die Gletscherzunge in zwei Teile und vergrößert damit die Angriffsfläche der wärmenden Strahlen. „Noch vor zwei Jahren klaffte hier keine Wunde im Eis“, sagt Schlunegger und streicht sich mit der Hand nachdenklich über das Kinn. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich der Rückzug des Eises nun weiter beschleunigen. Es wird immer komplizierter, hier oben einen Einstieg für eine Gletschertour zu finden.“

40 Minuten später ist die Glecksteinhütte erreicht. Die Hüttenwirte Rosmarie und Christian Bleuer haben bereits eine kräftige Gulaschsuppe, Rösti mit Schinken und Käse sowie leckeren Obstkuchen zubereitet. Mit dem Hubschrauber eingeflogenes alkoholfreies Bier, Apfelschorle oder frisches Wasser aus eigener Quelle löschen den Durst nach dem schweißtreibenden Aufstieg. Der Rundblick von hier oben auf 2317 Metern Höhe ist einfach sensationell.

GRINDELWALD

Anreise: Mit dem Zug über Interlaken nach Grindelwald. Vom Bahnhofsvorplatz mit dem Ortsbus zum „Hotel Wetterhorn“ oder mit dem Postauto bis zur Haltestelle „Gleckstein“ (Große Scheidegg-Meiringen Strecke).

Wanderweg: Im Auf- und Abstieg sind jeweils 840 Höhenmeter zu überwinden. Für jede Strecke sollte man zweieinhalb bis drei Stunden reine Wanderzeit einplanen. Eine gute Trittsicherheit, Kondition und Schwindelfreiheit sind Voraussetzungen. Kinder unter zehn Jahren sollten am Seil gehen.

Unterkunft: Die Glecksteinhütte verfügt in fünf gemeinsamen Schlaflagern (10 bis 13 Betten) und vier Komfortzimmern über insgesamt 80 Schlafplätze. Bettwäsche ist vorhanden, man sollte jedoch seinen eigenen Hüttenschlafsack mitnehmen.

Hüttenwarte sind

Rosmarie & Christian Bleuer, Guggengasse 42,

3818 Grindelwald, Schweiz

( 0041/33/853 11 40,

E-Mail:

welcome@gleckstein.ch , www.gleckstein.ch).