Oberursel. Nach Nil-Flaute und Streiks: Die Branche will mit mehr Lässigkeit auch jüngere Menschen locken.

Die Giganten auf See kennen viele sogar mit Namen: „Queen Mary 2“, „Mein Schiff“ oder „Europa“ heißen die Schiffe und sorgen für imposante Begegnungen in den Häfen. Weniger imposant und auch weniger bekannt kommen ihre kleinen Verwandten daher: Flusskreuzfahrtschiffe.

„Eine Flussreise ist eine Genussreise. Man hat ein Gefühl von Entschleunigung.“
„Eine Flussreise ist eine Genussreise. Man hat ein Gefühl von Entschleunigung.“ © Alexa Wehmer, Thomas Cook

„Eine Flussreise ist eine Genussreise“, findet Alexa Wehmer von Thomas Cook. „Man hat ein Gefühl von Entschleunigung“, sagt sie. Der Veranstalter stellte am Mittwoch im türkischen Kusadasi seine Kataloge für den Sommer 2015 vor. Und im Heft „Flussreisen“ finden sich viele neue Angebote für die Saison von März bis Dezember.

Langfristig betrachtet finden immer mehr Menschen Gefallen an dieser Art zu reisen. Der deutsche Flusskreuzfahrtmarkt ist zumindest laut IG River Cruise in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen: So waren es 2003 noch 275 000 deutsche Gäste, die weltweit Flussreisen unternommen haben – 2013 waren es 406 500. 2011 war das bisher erfolgreichste Jahr mit 461 500 deutschen Gästen. Für eine Weile sind die Gästezahlen zuletzt also leicht eingeknickt.

„Der Nil hatte Schuld“, erklärt Benjamin Krumpen diese Entwicklung. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses Schiff beim Deutschen Reiseverband (DRV). Wegen der politischen Unruhen gingen die Buchungszahlen für den Nil zurück – und der ist einer der am stärksten nachgefragten Flüsse bei deutschen Gästen. Zusätzlich machten in Europa extreme Hoch- und Niedrigwasser der Branche zu schaffen. „Die Donau und der Rhein waren massiv betroffen“, berichtet Krumpen.

Für die Zukunft ist die Branche aber positiv gestimmt und rechnet mit Wachstum: Wehmer glaubt, dass es eine leichte Steigerung geben wird. Ein rasantes Marktwachstum erwarte in diesem Bereich aber niemand.

Für den erwarteten Anstieg könnten neue Ziele sorgen: Thomas Cook hat für die kommende Saison erstmals die Loire im Programm. „Die Loire ist nicht nur bei uns neu, sondern insgesamt ein neues Fahrtgebiet“, sagt Wehmer. Der Wasserstand auf dem Fluss sei niedrig. Ein spezielles Schaufelrad-Schiff mit sehr wenig Tiefgang wurde extra dafür gebaut: die MS „Loire Princesse“. Wie bei den übrigen Partnern hat Thomas Cook das Schiff nicht im Vollcharter, sondern verfügt über ein Kabinenkontingent auf ausgewählten Fahrten.

Mit der Aufnahme der Loire ins Programm folgt der Veranstalter einem Trend: Frankreich und Portugal sind bei Flussreisen im Kommen. So hat auch der Veranstalter Dertour die Seine ins Programm aufgenommen. Auch die französische Rhône und der portugiesische Douro entwickelten sich positiv. „Darüber hinaus freuen wir uns auch über ein reges Interesse für unsere Flussreisen in Asien und Lateinamerika“, heißt es bei Dertour. Für interessierte Kunden hat Dertour beispielsweise ein neues Angebot auf dem Napo in Ecuador. Eine vermehrte Nachfrage für Südostasien hat auch die IG River Cruise bemerkt. Allerdings handle es sich mit einem Marktanteil von einem Prozent um einen Nischenmarkt.

„Die Altersgruppe ist gerade im Bereich Fluss schon speziell“, sagt Wehmer von Thomas Cook. Attraktiv sei für viele ältere Gäste zum Beispiel, dass viele Flussreisen keine Anreise per Flug erforderten. Eine drastische Verjüngung des Publikums erwartet Wehmer nicht. Aber ein bisschen jünger seien die Gäste schon geworden, sagt Krumpen. Für jüngere Kunden würden mehr Kurzreisen angeboten: von der Partykreuzfahrt in Frankfurt bis zur Shoppingtour in Amsterdam.

Flussreisen sind zum Teil etwas legerer geworden. Im Hochseebereich sei das schon länger so, auf dem Fluss war es lange Zeit noch konservativer, erzählt Krumpen. Nun gebe es auch Angebote, bei denen das Essen in Buffetform angeboten wird – mit längeren Öffnungszeiten und freier Platzwahl. „Früher war es ’Ding-Dong‘ – es ist 19 Uhr und alle gehen zum Essen“, sagt der DRV-Experte.dpa