Sopron. Vor 25 Jahren bekam der Eiserne Vorhang Risse: In der Nähe von Sopron flüchteten mehrere hundert DDR-Bürger während des Paneuropäischen Picknicks.

Er steht an der Grabenrunde, einem Straßenring, der die historische Altstadt von Sopron umschließt. Der Brunnen der Treue ist erst 2003 aufgestellt worden und symbolisiert als Denkmal die wechselvolle Geschichte der Stadt Sopron, die auf Deutsch Ödenburg heißt. Drei Figuren, vom Bildhauer Tamas E. Soltra in Sandstein gemeißelte Symbole, markieren die wichtigsten Ereignisse der Stadt. Eine männliche Figur verkörpert die Gründung im Jahr 1277, eine zweite die Volksabstimmung von 1921, und eine Frauengestalt steht für die Grenzöffnung von 1989.

„Wir Ungarn sind stolz darauf, dass wir als kleines Land einen großen Beitrag zum friedlichen Übergang zur Demokratie leisten konnten.“
Renate Pajor, Stadtführerin

„Für mich ist das schönste Datum der 19. August 1989“, sagt Renate Pajor. „Das ist jetzt genau 25 Jahre her, aber ich erinnere mich noch sehr gut an die Ereignisse, als Sopron an diesem Tag Schauplatz des Paneuropäischen Picknicks war“, sagt die Stadtführerin. Hunderte von DDR-Bürgern nutzten damals die Gelegenheit zur Flucht nach Österreich. Die Bilder von den ersten Löchern des Eisernen Vorhangs gingen um die Welt. „Wir Ungarn sind stolz darauf, dass wir als kleines Land einen großen Beitrag zum friedlichen Übergang zur Demokratie leisten konnten“, sagt Pajor.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass die westlichste Stadt Ungarns wie ein Sporn ins Staatsgebiet von Österreich hineinragt. Grund dafür waren die Grenzverschiebungen nach dem Ersten Weltkrieg. Die Bürger der Stadt durften 1921 darüber abstimmen, zu welchem Land sie gehören wollen. Obwohl viele deutschsprachig waren, fiel die Entscheidung zugunsten Ungarns aus. Später, unter kommunistischer Herrschaft, war die gesamte Region Sperrgebiet, in die Besucher nur mit Sondergenehmigungen einreisen durften.

„Wir werden zum 25. Jahrestag des Paneuropäischen Picknicks am 19. August ein weiteres Teilstück des Weges in Ungarn eröffnen“.
Andras Vissi, Wanderführer

Ihren Rundgang durch das historische Stadtzentrum beginnt Pajor am Feuerturm. Er wurde im 13. Jahrhundert auf römischen Fundamenten errichtet und gilt als Wahrzeichen der Stadt. Sie verweist auf das Relief mit der Aufschrift „Civitas fidelissima“, was so viel wie „treueste Stadt“ bedeutet und Bezug auf die Abstimmung der Bevölkerung zugunsten von Ungarn nimmt. Es lohnt sich, zur Aussichtsplattform hinaufzusteigen. Von oben haben Besucher einen wunderbaren Ausblick auf die grünen Hügel, die die Stadt umgeben.

Die meisten Sehenswürdigkeiten der rund 60 000 Einwohner zählenden Stadt liegen in der autofreien Innenstadt. Dort befindet sich auch der Hauptplatz Fö-ter, einer der schönsten Plätze Ungarns. Zum Ensemble gehören neben der Benediktinerkirche zahlreiche restaurierte Paläste wie das Storno-Haus, in der Mitte steht eine barocke Dreifaltigkeitssäule. Beim Rundgang durch die kopfsteingepflasterten Gassen können Besucher schöne Bürgerhäuser, aber auch das Rathaus, die Alte Synagoge und Reste der alten Stadtmauer entdecken. Überall gibt es Cafés und urige Kneipen.

Nur wenig erinnert heute noch an die einst für unüberwindlich geglaubten Sperranlagen an der Grenze zu Österreich. „Wir haben die große Aufgabe, das historische Ereignis, das ganz Europa verändert hat, auch der nächsten Generation zu vermitteln“, sagt Istvan Szigethi. Er ist Bürgermeister des kleinen, direkt an der Grenze gelegenen Ortes Hegyko, der jetzt vor allem vom Tourismus lebt. „Die heute 25-Jährigen wissen leider nur wenig über die Grenze. Deshalb haben wir einen kleinen Streifen mit den Grenzanlagen wiederaufgebaut, der anschaulich machen soll, wie der Eiserne Vorhang tatsächlich aussah, der sich von 1948 bis 1989 auf einer Länge von 356 Kilometern an der gesamten Westgrenze Ungarns entlangzog“, sagt Szigethi. „Wir hoffen, das möglichst viele Besucher zur Gedenkstätte kommen und nicht vergessen, wie viel Leid der Kommunismus den Menschen zugefügt hat“, sagt er.

Für die Natur erwies sich das einstige Sperrgebiet als Glücksfall. In Grenznähe durften weder Häuser noch Straßen gebaut werden, viele Flächen lagen brach und waren für eine landwirtschaftliche Nutzung nicht zugänglich – die Landschaft blieb weitgehend unberührt. In den wenigen noch erhaltenen Wachtürmen spähen heute Naturfreunde mit ihren Ferngläsern nach seltenen Vogelarten. „Sie können hier mehr als die Hälfte aller europäischen Vogelarten beobachten“, sagt Alois Lang vom Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel/Fertö-Hansag Nemzeti Park. „Vor allem Wasser- und Watvögel wie Silber- und Purpurreiher, Löffler sowie viele Enten- und Gänsearten nutzen das Gebiet als Brut-, Rast- oder Nahrungsplatz und als wichtige Zwischenstation.“ Der Nationalpark wurde bereits 1993 gegründet und liegt wie der Neusiedler See auf beiden Seiten der Grenze.

Die Landschaft rund um den See zeichnet sich durch ausgedehnte Schilfgürtel in der Uferzone, die salzigen, immer wieder austrocknenden Lacken und Wiesengebiete aus. Auf ihnen weiden blauäugige Weiße Esel und ungarische Steppenrinder. Um den Lebensraum für die Vogel- und Pflanzenwelt zu erhalten, wurde in Teilen des Parks jegliche Nutzung durch Tourismus, Fischerei, Schilfschnitt oder Jagd eingestellt. Touristen dürfen von festgelegten Wegen aus Fauna und Flora beobachten.

Wer den Nationalpark mit dem Fahrrad erkunden will, kann ein umfassendes Radwegenetz nutzen. Ein Abschnitt einer fast fertig ausgebauten Route, die grenzüberschreitend rund um den Neusiedler See führt, verläuft durch den Park. Rund 130 Kilometer lang ist die gesamte Rundstrecke, die geübte Radler in acht bis zehn Stunden schaffen. Man kann aber auch nur einzelne Abschnitte fahren oder den Weg mit einer Fähre über den See abkürzen. Die gut beschilderten Wege führen zumeist entlang des Schilfgürtels durch Feuchtwiesen und bieten immer wieder schöne Ausblicke auf den See.

„Europäische Geschichte mit dem Rad erfahren“, das ist das Motto des Iron Curtain Trails. „Da wird die Idee vom Berliner Mauerweg aufgenommen und ein Radweg konzipiert, der von der Barentssee im hohen Norden bis hinunter nach Bulgarien am Schwarzen Meer immer möglichst nah am einstigen Grenzstreifen entlangführt“, berichtet Andras Vissi, der sich in Sopron mit grenzüberschreitenden Projekten wie der Trinkwasserversorgung, Natur- und Öko-Tourismus und dem Europa-Radweg befasst.

Am 25. Jahrestag des Paneuropäischen Picknicks am 19. August wurde ein weiteres Teilstück des Weges in Ungarn eröffnet. Er führt auch an der berühmten Brücke von Andau vorbei, über die 1956 nach der Niederschlagung des Volksaufstandes über 70 000 Ungarn nach Österreich flüchteten. James A. Michener hat die dramatischen Geschehnisse in seinem lesenswerten Buch „Die Brücke von Andau“ beschrieben. Auch der Ort des historischen Grenzdurchbruchs liegt an der Strecke. Ein Denkmal in Form einer geöffneten Tür symbolisiert den Weg in die Freiheit.

SOPRON

Sopron Ungarn

Anreise: Mit dem Flugzeug nach Budapest oder Wien, weiter mit dem Mietwagen.

Unterkunft: In der Region gibt es von komfortablen Hotels bis zu preisgünstigen Ferienwohnungen und Campingplätzen Angebote für jeden Geldbeutel.

Beste Reisezeit: Von April bis Oktober.

Informationen: Ungarisches Tourismusamt, Wilhelmstraße 61, 10117 Berlin (Tel.: 030/243 14 60, www.ungarn-tourismus.de).