San Francisco. Die berühmten Seelöwen in San Francisco sind weg. Die Touristen sind enttäuscht.

Gewöhnlich ist das Gebrüll in San Franciscos Fisherman’s Wharf schon von weitem zu hören. Folgt man dann dem Gestank alter Fischreste, entdecken die Besucher normalerweise eine riesige Horde von Seelöwen, die sich auf den Bootsstegen vor Pier 39 aalen. Doch nun herrscht hier plötzlich Totenstille. Die rülpsenden Krachmacher und gern gesehenen „Gäste“ sind buchstäblich untergetaucht.

„Das ist wirklich mysteriös“, beschreibt der Veterinär Shawn Johnson vom Marine Mammal Center, einer Klinik für Meeressäuger in Sausalito, das abrupte Verschwinden der gesamten Horde. Im Frühsommer ziehen die Seelöwenweibchen in den Süden Kaliforniens, um ihren Nachwuchs zur Welt zu bringen. Doch auf dem Hafenpier in San Francisco bleiben gewöhnlich Dutzende männliche Meeressäuger zurück.

Möglicherweise sind die Tiere nun einem großen Fischschwarm gefolgt, mutmaßt Johnson. Doch alle auf einen Schlag, das ist rätselhaft.

Das Spektakel, das Touristen aus aller Welt anlockt, hatte mit einer Handvoll Seelöwen im Herbst 1989 begonnen, als sich San Francisco gerade von dem Schock des Oktober-Erdbebens erholte. Schnell wuchs die Meute auf mehrere hundert Meeressäuger an.

Im Herbst 2009 drängte sich eine Rekordzahl von 1700 Tieren Flosse an Flosse auf den schwankenden Holzstegen. Und dann waren sie – wie jetzt – Ende November 2009 plötzlich weg. Experten glaubten, dass sie einer kalten Wasserströmung mit reichlich Futter nach Norden folgten. Wenige Monate später kehrten sie zurück und zogen seither zur Freude der Schaulustigen wieder die tägliche Show auf den Docks ab.

„Ich hoffe wirklich, dass sie zurückkommen“, sagt die Französin Sanita Skribe. Mit ihren beiden Kindern schaut sie auf die leeren, abgewetzten Stege. „Vielleicht sind sie im Sommerurlaub“, scherzt die in Kalifornien lebende Frau. Auch Jolie Bondeline aus New Orleans will es nicht glauben. „Gewöhnlich sind alle Docks mit Leibern besetzt, und jeder Platz ist heiß umkämpft, das ist eine herrliche Show“, meint die Urlauberin. „Vielleicht hat das Monster von Loch Ness sie vertrieben“, scherzt ihr Sohn. „Wenigstens kommen die Touristen noch her und halten Ausschau“, seufzt Sue Muccin, Sprecherin von Pier 39. Es sei „ganz normal“, dass die Zahl der Seelöwen im Sommer schrumpft, beschwichtigt sie. Die Geschäftsleute und Betreiber des Ausflugs-Piers hoffen natürlich, dass die kostenlose Attraktion schnell wieder zurückkehrt.

Die bis zu 400 Kilo schweren Tiere tanken Sonne, rülpsen und übergeben sich, kämpfen brüllend um die besten Plätze, stoßen Artgenossen ins Wasser und wälzen sich übereinander hinweg. dpa