Rishikesh. In Rishikesh treffen sich Weltenbummler, Yoga-Verrückte und Pilger auf der Suche nach Sinn – in der lebhaften Altstadt oder im Edelresort.

Ein heiliger Mann, barfuß mit verfilzten Haaren, zwei Inderinnen in leuchtenden Saris und eine kleine Touristengruppe in Trekkingschuhen steigen am frühen Morgen die 309 Stufen zum Kunjapuri-Tempel hinauf. Weit unten in der Ebene schimmert der mächtige Ganges im Dunst. Hinter dem Tempel erheben sich die schneebedeckten Gipfel des Himalaya. Eine stille Stunde an einem heiligen Ort.

Einzig zu hören ist der scheppernde Klang der Messingglocke, die unter dem Bildnis von Gott Shiva am Tempeleingang hängt und von den Besuchern angeschlagen wird. Ob Mönch, gläubiger Hindu oder Gast aus der Ferne: Alle genießen sie die geheimnisvolle Schönheit der Natur im Vorland des Himalaya-Gebirges. Und sie sind auf der Suche.

Der Mönch sucht den gesegneten Weg, die Pilger aus Indien die Gnade ihrer zahlreichen Götter, und auch die Touristen, die in diese Gegend reisen, suchen Erleuchtung – wenigstens ein kleines bisschen. Hier im Norden des Landes, nahe der Städte Rishikesh und Haridwar, dort wo der heilige Ganges aus dem Gebirge in die Ebene fließt, ist das spirituelle Zentrum Indiens. Rishikesh nennt sich selbst „Yogahauptstadt der Welt“.

In den 60er-Jahren kamen die Beatles hierher, lebten im Ashram und schrieben die Songs für ihr weißes Album. Unzählige Yoga-Schulen und Ashrams drängen sich in Rishikesh an den Ufern des Ganges. Mönche in orangefarbenen Gewändern, Asketen mit wissendem Blick und Aussteiger aus dem Westen, optisch angepasst mit Rastalocken und Schlabberkleidern, schieben sich durch die Gassen der Altstadt.

Zwei schmale Hängebrücken verbinden die beiden Uferseiten. Dicht an dicht schiebt sich die bunte Menge über die schwankende Überführung, hupende Motorräder fordern Durchlass, dazwischen träge wiederkäuende Kühe, die mitten auf der Brücke ihr Lager aufgeschlagen haben, und Kinder, die für fünf Rupien Brotkrumen kaufen und in den Ganges werfen, wo sich eine wild zappelnde Schar von Fischen um die Leckerbissen streitet.

Nicht jeder, der nach Sinn sucht, ist bereit, sich den Herausforderungen des indischen Alltags zu stellen. Doch es gibt eine Lösung – oberhalb von Rishikesh in den Hügeln. Das edle Resort „Ananda in the Himalayas“ bietet alles, was man von einem spirituellen Erlebnispaket erwartet – von ayurvedischer Ölmassage bis Hatha Yoga, von Meditation bis zur Veda-Philosophie, vom Flötenspiel bis zu göttlichen Lichtzeremonien.

Wie einst die Beatles in den Ashram nach Rishikesh kamen, so kommen die Promis heute ins „Ananda“. Bill Gates war dort, Brad Pitt, Uma Thurman und Heidi Klum. Am Morgen um kurz nach sieben weist Sandeep Agarwalla die Gäste auf sanfte Weise in die Yogaphilosophie und -praxis ein. Danach warten ayurvedische Ölmassagen beim Gesang tibetanischer Mönche oder Thai-Stretching im Fitnessraum.

Wem das zu vergeistigt ist, der spaziert durch den üppig grünen Park mit den riesigen Salbäumen oder relaxt mit gesüßtem Ingwer-Zitronentee am Swimmingpool. Doch das Ananda ist nicht nur ein Tempel der Erholung, sondern auch idealer Ausgangspunkt für Ausflüge. Etwa in den Rajaji-Nationalpark, der Elefantenausritte anbietet, oder in das Corbett Tiger Reserve, bekannt für die Population wilder Tiger.

Ganz Abenteuerlustige wagen sich ins Gebirge: Eine Tagesreise entfernt liegt weit oben im Himalaya der Ort Gangotri. Von dort führt ein 18-Kilometer-Marsch zur Quelle des Ganges – eine der heiligsten Stätten Indiens. Wer solche Anstrengung scheut, lässt sich am besten abends nach Rishikesh fahren – und erlebt dort die Ganga-Aarti-Zeremonie. Öllampen werden geschwenkt, Arme greifen danach, wollen sie berühren. Schließlich wird das Licht dem heiligen Ganges übergeben und die Zeremonie mit spirituellen Liedern beschlossen.

Zum allabendlichen Ganga Aarti treffen sich alle, Mönche, Pilger, Yogaschüler, Himalaya-Wanderer, Rucksacktouristen und Gäste aus dem Ananda-Hotel. „Namaskar“, so grüßen sie sich. Das heißt hallo, sagt das Wörterbuch, doch das ist nur die halbe Wahrheit. Genau genommen heißt es „Der Gott in mir grüßt den Gott in dir“ – und das ist hier am heiligen Ganges im Schein der Öllampen am Fuße des Himalaya und im Angesicht der Götterstatue Shivas ein angemessener Gruß.