Österreich bis Italien. Der Alpe-Adria-Trail führt von Österreich über Slowenien bis Italien.

Spektakulärer kann ein Wanderweg kaum beginnen. Auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe, direkt am knapp 3800 Meter hohen Großglockner, ist die Luft klar wie Glas. Der schneebedeckte Gipfel und die 120 weiteren Dreitausender im Nationalpark Hohe Tauern flößen Ehrfurcht ein – ebenso wie der steile Abstieg in Richtung Heiligenblut, vorbei an der Pasterze, dem ewigen Eis des größten österreichischen Gletschers. Stunden in Einsamkeit und Stille, unterbrochen nur von den gellenden Pfiffen der heimischen Murmeltiere.

Es ist ein Mammut-Projekt, das sich Österreich, Slowenien und Italien vorgenommen haben: Der Alpe- Adria-Trail führt in 38 Wanderetappen vom höchsten Berg Österreichs bis ans Meer. Die Beschilderung wurde im Sommer fertiggestellt, doch die vollständige Inszenierung der 690 Kilometer langen Wegstrecke wird noch Jahre in Anspruch nehmen. Viel zu bieten hat der Weg trotzdem schon.

Obwohl er dem Lauf der Natur folgt – vom Ursprung des Wassers bis hin zu seinem Bestimmungsort – geht es nicht nur bergab. Auf einigen der durchschnittlich 17 Kilometer langen Etappen müssen beträchtliche Höhenunterschiede überwunden werden, obwohl der Trail kein Höhenwanderweg ist. Er führt bewusst immer wieder ins Tal, damit die kulturelle und kulinarische Vielfalt der Alpe-Adria-Region erlebt wird.

Heiligenblut ist Ziel der ersten Wanderetappe. Die berühmte Wallfahrtskirche Sankt Vinzenz ist ein stummer Zeuge unheilvoller Geschichte: Der Bergsteigerfriedhof lässt den Besucher schaudern angesichts all der Opfer, die der Berg im Laufe der Jahre gefordert hat. Hier ist auch das Buchungscenter, das bei einer Wanderung auf dem Drei-Länder-Weg hilft. Im Gesamtpaket werden Unterkünfte, Gepäcktransfers und Wanderführer organisiert – länderübergreifend, auf Wunsch auch nur für ausgesuchte Teilstrecken.

Die Inszenierungen stecken noch in den Kinderschuhen. Die erste könnte das Granat-Tor auf dem Kamm der Millstätter Alpe sein. Schon jetzt eine lokale Berühmtheit, weist das Tor auf einen echten Naturschatz hin: Denn man geht hier auf Edelsteinen spazieren. Der tiefrote Granat wurde einst abgebaut, jetzt liegen die Kiesel stark erodiert auf dem Weg. Wer deshalb den Blick nur auf den Boden richtet, verpasst allerdings die spektakuläre 360-Grad-Aussicht auf den Millstätter See und die Berglandschaft.

Der Aufstieg auf rund 2000 Höhenmeter lohnt sich aber auch aus kulinarischen Gründen: Bei der Einkehr in eine der zahlreichen Almhütten gibt es lokale Spezialitäten wie die Kärntner Kasnudel oder hausgemachten Almkäse, gepaart mit dem Charme eines strahlenden Kellners in Lederhose und von Haflingern, die versuchen ein Stück vom Teller zu klauen.

Von der Berg- und Seenwelt Kärntens führt der Alpe-Adria-Trail nach Slowenien. Dichte Fichten- und Lärchenwälder weichen kargem Kalkgestein, das das Wasser der Soca in tiefem Türkis erstrahlen lässt. Weiche Hügelkuppen werden von schroffen Felsen abgelöst, schwingende Holzbrücken ersetzen die schmalen Gebirgspfade. Erst nicht mehr als ein Rinnsal, wächst die Soca, der wohl schönste Fluss Sloweniens, langsam zu einem mächtigen Strom heran, der sich gemächlich Richtung Italien wälzt.

Und ebenso wie das Wasser kommt auch der Wanderer seinem Ziel immer näher. Wenn die Schwarzkiefern in Duino erstmals den Blick freigeben auf die Adria, die salzige Luft in die Lungen strömt und eine milde Brise die müden Beine kühlt, scheint der erhabene Großglockner plötzlich weit weg zu sein. Auf der Speisekarte stehen jetzt, nur 170 Kilometer Luftlinie vom Startpunkt entfernt, frische Muscheln und weißer Wein.

Und so endet der Blick in den Garten Eden im Fischerdorf Muggia typisch italienisch: Angler stehen in der Dämmerung am Hafen, Wäsche flattert vor den Fenstern der bunten Häuser im Wind, während die halbe Stadt den Tag bei Kaffee oder Wein lautstark ausklingen lässt.