Luxemburg. Luxemburg: Die Hauptstadt des Großherzogtums gibt sich weltoffen, ist Weltkulturerbe, Politik- und Finanzmacht. Ein Besuch.

Auf dem Kirchberg wird das große Geld gemacht. Das Wort der Richter hat großes Gewicht, weit über die Landesgrenzen hinaus. Auch die Politik bewegt von hier aus manches große Rad. Sonst ist hier alles etwas kleiner, etwas beschaulicher.

Nun gut: Die Kasematten sind mit einer Länge von 23 Kilometern die längsten der Welt und die größte Besucherattraktion. Keine Frage: Luxemburg, die Hauptstadt des gleichnamigen Großherzogtums, ist ein globales Dorf. Ein Zentrum der europäischen Politik und einer der wichtigsten Finanzmärkte des Kontinents, in dem sich nicht weniger als 146 Banken angesiedelt haben. Hinzu kommen zahlreiche weitere Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche.

Abseits der Stahl- und Glaskonstruktionen auf dem 365 Hektar großen Kirchberg, wo sich auch die weithin sichtbaren goldgelben Türme des Europäischen Gerichtshofs in den Himmel strecken, ticken die Uhren spürbar langsamer. Das Regierungsviertel besteht aus gerade einer Handvoll Gebäuden.

Am Sitz des Premierministers kann jeder durchs Fenster blinzeln oder an die Tür klopfen. Jean-Claude Juncker selbst, der dienstälteste Regierungschef in der Europäischen Union und einflussreicher Vorsitzender der Euro-Gruppe, nimmt sich auf dem Weg in sein Büro immer mal wieder Zeit für einen Plausch mit Passanten oder posiert bereitwillig für ein Erinnerungsfoto.

Sicherheitsvorkehrungen kennt hier niemand. Da bewachen keine Sicherheitskräfte den Regierungssitz, da sperrt kein Polizeiaufgebot die Straße ab, wenn der mächtigste Mann des Landes zu einem Termin eilt. Sogar der großherzogliche Palast fällt kaum auf, schöbe dort nicht ein einsamer Gardesoldat symbolisch Wache. Hier gibt es keine Prunkgärten, keine repräsentative Zufahrt. Im Gegenteil: Das Palais liegt inmitten der Fußgängerzone und ist – außer an dem Gardisten – vor allem am großherzoglichen Wappen am Balkon zu erkennen.

„Luxemburg ist ein weltoffenes Dorf, in dem es eigentlich alles gibt“, schwärmt Stadtführerin Lou Spous und verweist auf die Tatsache, dass von den gut 100 000 Einheimischen stolze 43 Prozent ausländische Wurzeln haben. Hinzu kommen gut 150 000 sogenannte Grenzgänger, die täglich von Frankreich, Belgien und Deutschland aus zur Arbeit in das Großherzogtum pendeln. Ein multikultureller Mix, der sich sowohl auf den Speiseplänen der Restaurants widerspiegelt als auch in der Sprache niederschlägt. Neben Französisch und Deutsch wird Letzebuergisch, ein moselfränkischer Dialekt, gesprochen. Auf dem Bau und im Handwerk arbeiten überwiegend Portugiesen, in der Gastronomie und in vielen Geschäften vornehmlich Franzosen.

,,Selbst als Einheimischer weiß man nie, in welcher Sprache man das Personal in einem Laden ansprechen soll“, sagt Lou, die den Sprachen- und Kulturmix als Bereicherung empfindet, auch wenn sie sich wünscht, dass sich einige der 115 ausländischen Bevölkerungsgruppen besser integrieren. Dies gelte insbesondere für die Portugiesen, die gern unter sich blieben. Positiv wirke sich das Dasein als Vielvölkerstadt auf das kulturelle Angebot der 100 000-Seelen-Gemeinde aus, die mit ihren Museen, Festivals, Theateraufführungen und Konzertveranstaltungen den Vergleich zu anderen, weitaus größeren europäischen Hauptstädten nicht scheuen müsse.

Während etwa das Historische Museum einen Überblick über die bedeutendsten Momente der mehr als 1000-jährigen Geschichte Luxemburgs liefert, wartet das Nationalmuseum für Geschichte und Kunst mit einem der schönsten römischen Fußbodenmosaike nördlich der Alpen auf. Modernes findet sich im Casino Luxemburg als Forum für zeitgenössische Kunst und im Museum für Moderne Kunst Grand-Duc Jean (Mudam).

Letzteres wurde vom amerikanischen Stararchitekten Ieoh Ming Pei auf den Ruinen eines alten Forts errichtet. Nur wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt sorgt die vom Franzosen Christian de Portzamparc geplante Philharmonie als klingender Tempel des Landes mit ihrem weißen Dach und der markanten Säulenumrandung für einen weiteren architektonischen Blickfang.

Ungleich geschichtsträchtiger sind das 1830 errichtete Hôtel de Ville, das Rathaus der Stadt, sowie die hochgotische Liebfrauenkathedrale, deren Portal vom Deutschen Daniel Müller Anfang des 16. Jahrhunderts gestaltet wurde. Das eigentliche Schmuckstück Luxemburgs hat derweil längst ausgedient: die Kasematten. Sie waren einst Teil eines 40 000 Quadratmeter großen Verteidigungssystems aus Kasernen, Pulverlagern und Magazinen, das sich vom Bockfelsen bis hinauf zum Fort Thüngen, auch Dräi Eechelen (Drei Eichen) genannt, auf dem Kirchberg zog. „Der Bockfelsen ist die Wiege unserer Stadt Luxemburg“, erinnert Lou daran, dass Graf Siegfried den Felsen im Jahre 963 erwarb und hier eine erste Burg errichtete, die später zur Keimzelle der noch jungen Stadt werden sollte. Im Lauf der Jahrhunderte wurde das Kastell immer wieder zerstört – um dann mit noch dickeren, noch höheren Wänden wieder auf- und ausgebaut zu werden.

Der Hall der Kanonen ist lange verstummt. Nur einzelne Geschütze erinnern heute noch an die Wehrhaftigkeit der Luxemburger. Geblieben ist das verzweigte Tunnelsystem der Kasematten, das ebenso wie die Altstadt seit 1994 als Weltkulturerbe unter dem Schutz der Unesco steht. Immer wieder geben die unterirdischen Gänge den Blick frei auf das Tal und das Flüsschen Alzette.

An die Hänge der fast senkrecht aufragenden Felsen schmiegen sich terrassenförmig angelegte Gärten. Hier unten im Tal liegt auch der verträumte Stadtteil Grund mit seinen von Kopfsteinpflaster überzogenen Gassen und der einstigen Benediktinerabtei Neumünster, die heute einer der beliebtesten kulturellen Treffpunkte der Stadt ist.