Schwarzwald. Die Ferienregion Schwarzwald vermeldet neue Rekorde, doch Orte wie Enz-klösterle im Norden stehen vor dem Niedergang.

Die Straßen sind pieksauber. Alle Fensterbänke erstrahlen in üppigem Blumenschmuck. Im Herbst erinnern die Täler stimmungsvoll an den „Indian Summer“. Die Glocken der kleinen Kirche schwingen über idyllischen Tälern wie aus einem Schwarzwald-Bilderbuch. Und doch erlebt der Fremdenverkehr in Enzklösterle eine dramatische Talfahrt.

Von den 280 000 Übernachtungen, die der 1200-Einwohner-Ort zu seinen Glanzzeiten zählte, ist nur noch ein Viertel übriggeblieben. In der ersten Hälfte dieses Jahres setzte sich der Rückgang um weitere vier Prozent fort. Fünf Hotels haben geschlossen, zwei stehen zum Verkauf, finden aber keinen Käufer. Immer mehr Ladenlokale stehen leer.

Enzklösterle ist ein Paradebeispiel für den Niedergang von Teilen der Ferienregion Nord-Schwarzwald. Zwar konnte die Marketing-Gesellschaft „Schwarzwald Tourismus“ gerade einen Rekord für den Schwarzwald insgesamt melden: Erstmals sei „die Schallmauer von sieben Millionen Gästen durchbrochen“ worden. Doch am meisten legte der Süden zu, am wenigsten der Norden. Der Süden gewann innerhalb von 20 Jahren 20 Prozent Gäste hinzu, der Norden verlor 15 Prozent.

Die prominenten Vorzeigeziele im Norden wie Baden-Baden, Baiersbronn und Freudenstadt können nicht über Gästemangel klagen. Hotels mit moderner Wellness-Ausstattung, Schwimmbad und Feinschmecker-Küche florieren auch andernorts. Der Nord-Schwarzwald punktet mit den meisten Sterne-Köchen und Wellness-Hotels.

Auch in Enzklösterle glänzt ein Vier-Sterne-Hotel mit opulenter Wellness-Abteilung und herausragender Küche. Von den 51 500 Betten im Nord-Schwarzwald entsprechen aber viele nicht mehr den heutigen Anforderungen an Komfort. Für dringend erforderliche Renovierungen fehlt das Geld.

Viel zu spät – erst vor drei Jahren wurde das „Touristische Aktionsbündnis Nördlicher Schwarzwald“ (TANS) gegründet, das mit Qualifizierungsmaßnahmen punktet, vom Umgang mit schwierigen Kunden über Englisch für Rezeptionisten bis zum Event-Management.

Enzklösterle hat wie viele andere kleine Orte nicht die finanziellen Mittel, sich bundesweit oder gar im Ausland als Destination zu etablieren. Jetzt soll eine „Enztal-Kooperation“ der Nachbarn Enzklösterles die knappen Mittel bündeln.

Die kleinen Orte haben eine Menge zu bieten. So kann Enzklösterle eine Riesenrutschbahn, eine nagelneue Minigolf-Anlage, einen Abenteuer-Klettergarten, Wanderungen „auf der Fährte des Rothirsches“ und zu den Plätzen, „wo der Auerhahn balzt“, ein Tanzkurhotel und die „Hochzeitstannen“ vorweisen. Gerade wurde erfolgreich ein Heidelbeerfest gestartet. Demnächst soll es einen Blaubeerpfad zu den größten Beerenflächen geben.

Für Aufschwung im Nord-Schwarzwald soll jetzt, wie seine Befürworter meinen, ein Nationalpark sorgen. Es wäre der 15. in Deutschland und der erste in Baden-Württemberg. Der grüne Forst- und Tourismusminister Alexander Bonde macht sich dafür stark. Er verspricht neue Investitionen und einen Schub für den „Jobmotor Tourismus“.

Doch nicht alle sehen das so. Wenn der Wald nur noch auf wenigen Wegen betreten werden darf, verliere der Nord-Schwarzwald das entscheidende Argument des freien Zugangs. Wenn der Wald im Nationalpark sich selbst überlassen bleibe, drohe zudem ein Kahlschlag durch den Borkenkäfer.

Die „Interessengemeinschaft Unser Nordschwarzwald“ mit Zentrale in Enzklösterle hat in der ganzen Region Plakate platziert, auf denen Nationalpark rot durchgestrichen ist. Die Gegner wollen sogar eine Volksabstimmung. Die Befürworter vom „Freundeskreis Nationalpark Schwarzwald“ setzen auf ein Gutachten, das bis Jahresende die erhofft positiven Auswirkungen des Nationalparks auflisten soll.

Weitere Informationen unter www.unser-nordschwarzwald.de www.pro-nationalpark.de www.schwarzwald-tourismus.info