Innsbruck. Wo gibt’s denn so etwas? Einen Berg mit Straßenbahnanschluss hat wohl nur Innsbruck zu bieten.

Die Tiroler Landeshauptstadt ist buchstäblich obenauf, wenn es um den öffentlichen Nahverkehr geht. Der Bahnhof mit Anschluss ans internationale Schienennetz inmitten der Stadt – und gleich nebenan die Abfahrt der Stubaitalbahn. Dann ist da noch, nicht weit vom Zentrum entfernt, die Standseilbahn der Hungerburgbahn, von Stararchitektin Zaha Hadid spektakulär ins malerische Stadtbild gesetzt. Wer an der Bergstation in die Gondelbahn umsteigt, ist im Nu im hochalpinen Gelände.

Mit der Stubaitalbahn geht’s etwas langsamer: Die signalroten Wagen fahren mit 40 Stundenkilometern durch die Innenstadt. Mit rund einer Stunde muss man bis zum Zielbahnhof Fulpmes rechnen.

Draußen strahlt die Sonne vom makellos blauen Himmel – Innsbruck glänzt, und die Wiesen stehen in vollem Saft. Da denkt unsereins gleich sehnsuchtsvoll an die alten Triebwägen, die noch offene Plattformen hatten, wo man sich nicht nur den Wind um die Nase wehen lassen, sondern auch den Duft des Sommers atmen konnte.

Durch Tunnel fährt die Bahn und über zwei Viadukte, die auf hohen Stelzen Schluchten überbrücken. Auf klobigen Stampfbetonpfeilern steht das erste Viadukt bei Mutters, ein seltenes Stahlgerüst gibt dem Kreither Viadukt Halt.

Bei dem Anblick hält es keinen Bahnfan mehr auf seinem Sitz. An den Fenstern drängen sich die Fotografen. Den besten Blick aufs begehrte Fotomotiv freilich hat der Permoser Ernst: Er steuert die Bahn seit 20 Jahren und hat das Staunen noch immer nicht verlernt. „Schau, is des net schee“, sagt er fast andächtig und blickt mit leuchtenden Augen auf die farbsatten Wiesen, die zartgrünen Lärchen und die schneebedeckten Gipfel.

Mitten durch das Naturschutzgebiet Telfser Wiesen fährt die Stubaitalbahn, und der Ernst ist jedes Mal von neuem glücklich bei dem Anblick. Und wenn er kurz darauf eine Ampel auf Rot stellt, fühlt er sich so recht als „Herr der Berge“: Da, wo die Straße die Schiene kreuzt, hat jetzt die Bahn Vorfahrt.

In Fulpmes ist Endstation, und alles muss raus: Räder, Rucksäcke, Einkaufstüten und natürlich die dazugehörigen Menschen. Die Stubaitalbahn ist für alle da, für Urlauber und Einheimische, Wanderer und Radler. Die Urlauber hätten viele Gründe, zu bleiben: 850 Kilometer Wanderwege und ein 720 Kilometer großes Mountainbike-Netz erschließen das weite Tal bis hinauf zum Gletscher.

Es gibt wilde Wasser, Klettersteige, Hochseilgärten und die Gipfelplattform „Top of Tyrol“, wo man den Blick über 109 Dreitausender schweifen lassen kann. Man kann aber auch ganz lässig unten bleiben und in einem der schmucken Gasthöfe den Tag versitzen – mit einem schäumenden Bier, einem deftigen Braten und einer schönen Aussicht.

Mit der Hungerburgbahn hinauf zum Hafelekar

Schön sind die Aussichten auch mit der Hungerburgbahn, wobei schon die Talstation in Innsbruck ein echter Hingucker ist: Zaha Hadids schillernde, fast organisch wirkende architektonische Konstruktion zieht immer noch viele Blicke auf sich. Das gilt auch für die Bergstation der Bahn, wo weiß-fließendes Glas die Schnee- und Gletscherlandschaft vorweg zu nehmen scheint und mit spektakulären Blickachsen dem Bergpanorama Konkurrenz macht.

Welch ein Kontrast zum historischen, unter Denkmalschutz stehenden Gebäude der Nordkettenseilbahn. Ganz oben auf dem Hafelekar, wo die Schneedecke noch so dick ist, dass nicht einmal ein Krokus heraus spitzelt, scheinen Berge und Tal um Aufmerksamkeit zu buhlen: Schneeweiß glänzen die Gipfel – einer schöner als der andere –, und in der Ferne lässt sich die Europabrücke ausmachen.

Fast senkrecht unter der Aussichtsplattform dehnt sich Innsbruck aus, wo die Abendsonne im Häusermeer badet. Jeden Freitagabend kann man sie untergehen sehen, von hier oben – bei einem feinen Essen in der „Alpenlounge“.

In Jenbach dampft die Achenseebahn los

Danach lockt ein Ausflug in die Natur auf der anderen Seite des Inntals – an den Achensee vielleicht. Weit weg ist das nicht von der Tiroler Landeshauptstadt. Mit dem Zug ist man im Nu in Jenbach, wo auf Bahnliebhaber ein wahres Juwel wartet: die Achenseebahn. „Die weltweit einzige Zahnradbahn mit einem See an der Endstation und die älteste ausschließlich mit Dampf betriebene Zahnradbahn der Welt“, wie Bernhard Marchi stolz verkündet.

Der Mann im rosa Poloshirt mit dem Dampflok-Emblem, der mit seinen halblangen, schwarzen Haaren ein bisschen wie der junge Pierre Brice als Winnetou aussieht, ist seit

24 Jahren Direktor der Achenseebahn und Vorstand der Aktiengesellschaft. „Irgendwie gehöre ich schon zur Einrichtung“, grinst Marchi und schiebt die schmale Lesebrille in die Haarpracht.

Weil ihm die Zukunft der Bahn am Herzen liege, denkt er an Veränderungen: Nötig sei eine Verlängerung der Bahn und die Elektrifizierung, ist er überzeugt: „Wir können so nicht weiter existieren, weil wir’s net mehr derschnaufn.“ Wenn alle Pläne in Erfüllung gehen, könnte der Chef sich auch einen Winterbetrieb nach Schweizer Vorbild vorstellen. Bislang schnauft die Bahn von Ende April bis Ende Oktober vom Bahnhof Jenbach bis an den Achensee – und zurück.

Während der Winterpause werden die Loks in ihre Einzelteile zerlegt und sorgfältig wieder zusammengebaut. Danach müssen sie sich auf der Berg- und Tal-Strecke bewähren. Bis zum Bahnhof Eben schiebt die Dampflok die Waggons. Von da an geht’s bergab, und die Lok setzt sich an die Spitze.

Martin Kleinheinz kennt das schon. Seit sieben Jahren ist der Mann mit dem spitzbübischen Lächeln und der feschen Schildmütze Schaffner in der Achenseebahn, und seither ist für ihn „jeder Tag ein neues Abenteuer“.

Weil die Waggons keine Verbindung miteinander haben, hangelt sich Kleinheinz von Fenster zu Fenster, um die Karten abzuknipsen – immer einen Scherz auf den Lippen oder eine Information: Dass auf der Fahrt 320 Kilo Kohle verheizt werden, 3,5 Kilo pro Fahrgast etwa. Dass die Bahn 122 Jahre alt ist und 18 Prozent Gefälle bewältigen muss.

Kurz vor der Endstation Achensee rattert und knattert es, Dampfwolken hüllen die Bäume am Weg ein. Zwischen den Rädern der Lok quillt zaghaft ein weißes Wölkchen. Den Kleinheinz freut’s: „Da hat ein jeder das Gefühl, dass die Bahn lebt.“