Katalonien. Es gibt Orte, die findet man nur durch Glück, Dummheit oder Zufall. Und dann wachsen sie einem ans Herz. Wie La Mola in Katalonien.

Der Berg liegt zwischen den Landkreisen El Vallès Occidental und El Bages, keine 30 Kilometer von Barcelona entfernt. Obwohl er auf jeder anständigen Karte verzeichnet ist, geht kaum jemand hinauf.

Auf dem 1100 Meter hohen Gipfel steht ein altes, bewirtschaftetes Kloster, Sant Llorenç del Munt heißt es. Hinauf führen keine Straßen: Wer nach oben möchte, muss die knorrigen Wege und gepflasterten Pfade nehmen, die von der bald genau tausendjährigen Geschichte der Anlage zeugen.

Die erste Hälfte des gut zweistündigen Gipfelmarsches mag den ein oder anderen verschreckt haben: Unansehnlich ist die Landschaft, Wasserspeicher stehen herum, oberirdisch verlegte Plastikrohre kreuzen den Weg, der zu allem Unglück auch noch hier und da von summenden Stromleitungen überspannt wird.

Aber mit dem Berg ist es wie mit vielen Dingen im Leben: Man muss sich ihnen erst ein Weilchen widmen, um ihre Schönheit zu erkennen. Also ging ich weiter. Nach der ersten Stunde ändert sich das Bild: Auf dem Gipfel liegt das sandfarbene Kloster vor einem mit Wolken gesprenkeltem Himmel. Die jetzt kleinen Pfade führen in Schleifen darauf zu. Ab und an tauchen auf Anhöhen in Sichtweite pompöse Villen auf, bei denen man sich fragt, wen man bestechen musste, um hier eine Baugenehmigung zu erhalten.

Der Weg wird steiler, stellenweise ist er gepflastert mit Steinen, die Zeit und Sohlen ordentlich glatt geschliffen haben. Es riecht herrlich nach Rosmarin und mediterranen Blumen. Hier und da stehen Zypressen. Das Rauschen der Autobahn verliert sich irgendwo unten am Hang.

Ein kleines Stück weiter wartet hinter einer Kurve die erste grandiose Aussicht: der Montserrat. Plötzlich steht man mutterseelenallein vor Kataloniens berühmtestem Naturdenkmal. Während sich auf dem Nationalheiligtum Zehntausende täglich den Platz stehlen, breitet sich hier ein Panorama aus, das in größter Ruhe jene Ewigkeit atmet, für die man auf dem Montserrat lange beten muss.

Es geht weiter bergauf. Plötzlich Hufgetrappel. Eine Karawane Riesenesel trabt um die Kurve, bepackt mit Lebensmitteln für die Klostergastwirtschaft. Es hat ein Weilchen gedauert, bis mir die Symbolik dieser Situation aufging: Da schnaufen sieben Riesenesel vor der Kulisse des Montserrats auf La Mola hinauf. Oder anders gesagt: Das katalanische Wappentier trägt mit Blick auf den Montserrat seine Last zum Gipfel. Mehr Katalonien geht nicht.

Oben angekommen, gönne ich mir eine Pause. Esse. Trinke. Schlafe kurz ein. Draußen stehen die Esel, bunte Decken über ihre Rücken gelegt. Neben dem Eingang steht eine Tafel, die mit Pfeilen zeigt, was man in welcher Himmelsrichtung sehen kann. Im Westen den Montserrat, rechts davon die Ebenen von Lleida. Im Norden und Nordosten die katalanischen und spanischen Pyrenäen, und Andorra, eine majestätische Gipfelkette mit weißen Zacken, die sich weit hinten am Horizont verliert.

Gen Osten liegt der kleine Naturpark, dahinter graue Industriegebiete. In Richtung Süden geht der Blick geradewegs aufs Mittelmeer hinaus. Und an klaren Tagen, meistens frühmorgens, ist ganz klein am Horizont Mallorca zu sehen.

Einmal bloß muss man sich auf La Mola um die eigene Achse drehen, um ganz Katalonien zu sehen.