Lausitz. In der Lausitz entsteht Europas größte künstliche Wasserlandschaft – still und schrill.

Werksgelände der einstigen Brikettfabrik. Zweimal ertönt die Sirene. Ein paar behelmte Neugierige ersteigen den Turm vor der Backsteinfassade. Augenblicke später beginnt die „Schicht“, die Museumsschicht.

Die Besucher gehen über eine Brücke in die oberste Etage und verfolgen dann immer treppab den Weg der Rohbraunkohle zum Brikett – über einen bequemen Steg, ohne Kohlestaub einzuatmen und ohne die Hitze der Trockner zu spüren. Und nur ein geringer Teil der Maschinerie setzt sich in Bewegung. Aber selbst der verursacht einen Höllenlärm; ein dröhnendes Rüttelsieb lässt alles vibrieren, ein kreischender Tellertrockner macht jedes Wort unhörbar.

„Energiefabrik“ nennt sich das Gelände heute und ist ein Teil des Sächsischen Industriemuseums. Wer wissen will, warum die Gegend so ist, wie sie ist, erfährt das hier. Vom Beginn der Förderung in Schächten vor 150 Jahren, von den Tagebauen, den Fabriken und den Werkssiedlungen, von Grubenloks und Draisinen, von Findlingen und Mineralien. Und auch von Menschen erfährt man. In stillen Augenblicken hört man aus Lautsprechern ehemalige Fabrikarbeiter, wie sie ihre „Schwarzen Ge-schichten“ erzählen“.

Szenenwechsel: Kleinkoschen, Baustelle des Überleiters 12. Die Touristen klettern in das auf Stelzen stehende Aussichtsboot, staunen in die riesige Grube und ergründen die Info-Tafel: Die B 96 soll über eine neue Brücke führen, die Schwarze Elster durch ein neues Flussbett strömen. Und unter beidem hindurch, streckenweise durch Tunnel, wird ein Kanal mit Schleuse den Senftenberger und den Geierswalder See verbinden – der Überleiter.

Ein Dutzend solcher Kanäle entstehen derzeit. Manche mit Schleuse, andere werden Seen mit gleichem Pegel zusammenbringen und warten nur noch darauf, dass in einem der beiden Ex-Tagebaue das Wasser genügend ansteigt. Wenn alles fertig ist, laut Plan im Jahr 2015, können Boote auf zehn der insgesamt dreiundzwanzig Seen umherfahren.

Wir sind in Geierswalde, im Strandbad. Es ist noch früh am Morgen und die Flotte des Wassersportzentrums Renner liegt auslaufbereit am Ufer: Segelboote, Katamarane, Surfbretter, Kanus und ein paar Tretboote. Klaus Renner, der Chef, präpariert sich schon mal mit Sonnencreme, denn gleich kommen ein paar junge Leute, denen er Surf-Unterricht geben wird.

„Die meisten schaffen es, schon im Schnupperkurs auf dem Brett zu bleiben und voranzukommen“, verspricht er. „Wer es gemütlicher haben will, dem rate ich zum Katamaransegeln. Kann er auch
bei mir lernen. Und wem das zu langsam ist, den schicke ich nach nebenan, da kann er mit Jetski

oder Jet-Boot zu rasender Fahrt starten.“

Aber eigentlich sei der Geierswalder See das ideale Gewässer für den Windsport, so Renner. Er habe keine Inseln und Untiefen und dadurch eine riesige effektiv nutzbare Fläche. Zudem sei der Windeinfall in der flachen Gegend ideal.

Unübersehbar sind die Schilder mit der Aufschrift „Betreten verboten. Lebensgefahr!“ an den Ufern. Ist also Vorsicht angebracht? „Natürlich“, bestätigt Manfred Kolba, Leiter des Sanierungsbereiches Lausitz der LMBV, des Unternehmens, das für alles verantwortlich ist, was im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier mit dem stillgelegten Braunkohlenbergbau der vergangenen 60 Jahre zu tun hat.

„Überall, wo so ein Schild steht, ist die Kippe noch nicht standsicher. Da sind wir mit unserer Arbeit noch nicht fertig.“

Die Ziele dieser Arbeit, so der Ingenieur, richten sich nach den Plänen für das jeweilige Ufer. Wo etwas gebaut werden soll, muss fester Baugrund hergestellt werden. Und er erzählt von Rütteldruckverdichtung, Rüttelstopfsäulen und versteckten Dämmen.

Nächster Halt: Klein Partwitz. Vor dem Gasthaus „Zum Anker“: Anja Ittmann, Wirtstochter und zertifizierte Natur- und Landschaftsführerin, versammelt ein Radler-Grüppchen um sich. Aber ehe sie mit ihren Erläuterungen beginnt, wartet sie, bis ihr Bruder Andreas mit seiner lärmenden Gefolgschaft über die Dorfstraße verschwunden ist.

Er organisiert nämlich geführte Quad-Touren und seine Kunden kommen nicht nur, um Neues über die Landschaft zu erfahren. Sie finden es cool, bergauf und bergab durch Sand und Schlamm zu preschen, Tagebau-Areale zu erobern, die ihnen ohne Guide verschlossen blieben.

Mit Anja geht es gemächlicher durch die Lande. Immer wieder bleibt sie stehen, weist auf Wasserflächen und erzählt über die abgebaggerten Dörfer, erläutert das Ansteigen der Pegelstände und die Verbesserung der Wasserqualität.

Auf dem Sedlitzer See schwimmt in der Ferne ein undefinierbares Gefährt. „Das ist ein Floß für 50 Leute und ein Fass Bier. Und dort hinten auf der Sandbank, dort nisten unsere ersten Möwen.“

Von Anja ist auch zu erfahren, dass See nicht gleich See ist: „Am Sedlitzer, Partwitzer und Geierswalder, da wird es richtig laut und schnell und bunt. Alles, was man aktiv auf dem
Wasser veranstalten kann, wird es dort geben. Wer es ruhig haben
und die Natur genießen möchte, sollte an den Bernsteinsee, den Scheibesee oder den Dreiweibener See fahren.“

Hafen am Geierswalder See. Die Sonne geht unter. Jetski- Fahrer ziehen noch ihre Spuren. Die letzten Partyboote bummeln zurück.