Cochem. Die Mosel lebte lange vom Billig-Tourismus, billigen Schnitzeln und billigem Wein. Das soll sich nun ändern.

Irgendwie hat der kleine rote Weinberg-Pfirsich Symbolcharakter. Ein Star, der ein bisschen warten musste auf seine große Zeit. Lange Zeit hat man die knorrigen Bäume auf verlassenen Hängen wenig beachtet. Ihre Früchte waren oft Fallobst, bitter, und roh kaum essbar. Man musste schon Kenner sein, um den Schatz des pelzigen Unscheinbaren zu heben.

Heute erlebt der Weinbergpfirsich an der Mosel bei Cochem seine Renaissance. Wer hoch über dem Fluss den schönen Höhenweg von Ernst nach Ellenz macht, entlang an der steilen Schieferwand des „Brutter Götterlay“, liest lauter kleine Namensschilder an Jungbäumen. „David“, „Tim“, „Lara“: Jugendliche stehen Pate für „Prunus Persica“ – und

damit auch für eine neue Moselblüte. Natürlich zeigt sie sich nicht nur am roten Weinbergpfirsich.

Aber wer zu Fuß oder per Rad diesen klassischen Flecken des deutschen Romantik-Tourismus passiert, kommt am Pfirsich kaum vorbei. Vier Fünftel des Moselbestandes finden sich allein in der Gegend um Cochem: ein kulinarisches Alleinstellungsmerkmal.

Mal trifft man es in Form eines duftenden Pfirsichbrandes. Mal als aromensatten Likör, der einen Winzersekt zum Mosel-Kir macht. Es gibt Rumtöpfe, Konfitüren und solche Überraschungen, wie sie eine gestandene Winzersfrau kreiert: Bei Inge Zenz in Ernst entdecken wir ein rasantes Weinbergpfirsich-Chutney – fruchtige Schärfe.

Tüpfelchen auf dem „i“ des Regionalen: Der feurige Pfirsich krönt den „Ernscher“. So heißt der deftige Rohmilchkäse, der in Ernst sehr ernst genommen wird. Drei Wochen reibt man ihn täglich mit Ernster Riesling ein, erst dann ist er reif zum Verzehr. Lauter köstliche Fundstücke auf unserem Weg entlang der Mosel.

Wer hier nach vorn blickt, tut es abseits eines in die Jahre gekommenen Tourismus, der zwischen künstlichem Weinlaub und Fritteusenschnitzel für Tagesbusse siedelt. Klar gibt es hier auch das und es hat Cochem Jahrzehnte genährt. Doch sind damit andere abgeschreckt worden. Schade drum, sie verpassen was. Es reichen schon ein paar hundert Meter, um die Schönheiten der Region abseits der „Schnitzelfalle“ zu finden. So nennen Einheimische gewisse Lokale an der Cochemer Mosel-Meile. Ob diese Falle zuschnappt, das darf ja jeder selbst entscheiden.

Wir wandern weiter. Wer die atemberaubende Sicht will, muss trittfest sein. Für die anderen gibt es den Weg direkt am Wasser. Von oben blicken wir nach drüben zum „Valwiger Herrenberg“.

Auch an ihm zeigt sich der wiedererstarkte Stolz der Mosel. Dass man von hier aus einst Spitzenweine in die Welt geschickt hat, das wollte vielen Weintrinkern lange nicht mehr schmecken. Massenproduktion und eine Landwirtschaftspolitik, die für „viel, süß, billig“ stand, haben dem Ansehen des Anbaugebietes enorm geschadet. Längst ist der Wein wieder fabelhaft, gibt es neben Edelsüßem die mineralisch-trockenen Rieslinge.

Aber Vorurteile sind zähe Biester – sie zu bekämpfen ist mindestens so harte Arbeit wie die Rebpflege in den steilen Schieferhängen. Die 20 „Breva“- Winzer knien sich in beides rein. Ihr Meisterstück: Ein Wein, den sie gemeinsam aus dem Herrenberg holen. Der Tropfen ist das Prunkstück der kleinen Breva-Vinothek in Ernst: ein straffer, fruchtiger Vorzeige-Riesling. „Er soll zeigen, in welcher Liga wir spielen“, sagt Andreas Zenz, Vater der Breva-Idee. „Breva“ (gebildet aus den Weinorten Bruttig, Ernst und Valwig) zeigt noch mehr. Zum Beispiel die Handarbeit, den Schweiß, den Aufwand. Der Breva-Weg, den die Winzer für Wanderer im Herrenberg geschaffen haben, ist kein Spaziergang. Andreas Zenz: „Der Weg führt auch in den Steilhang. Die Wanderer sollen spüren, was es bedeutet, hier Wein anzubauen.“ Zum Beispiel: 1500 Arbeitsstunden pro Hektar, Maschinen unmöglich. Mehr Ansichtskarte geht einfach nicht.

Unser Tag aber endet faul und im schönsten Idyll. Wir übernachten in der frisch renovierten „Villa Beilstein“. Sie heißt wie ihr Dorf – es ist klitzeklein, ein filmreifes historisches Ensemble und am schönsten ab dem späten Nachmittag. Dann sind die Busse weg, es gibt Riesling-Eis (!) in Bastians Eiscafé, die Mosel gluckert in Sichtweite vorbei. Mehr Ansichtskarte geht nicht, denken wir.

Und auch: Dass es ein Fehler ist, die alte neue Mosel nicht wieder entdecken zu wollen.