Dresden. Endlich Sommer. Wer jetzt ein verlängertes Wochenende für Städtetouren nutzt, will möglichst viel draußen erleben.

Dresden lockt nicht nur mit einer herrlichen Naturlandschaft längs der Elbe, sondern präsentiert auch einen Großteil seiner Kultur umsonst und draußen.

Zuerst sollte man aber doch der Sixtinischen Madonna die Referenz erweisen. Die vielfach als schönste Frau der Welt bezeichnete Gottesmutter, 1512 von Raffael gemalt, feiert in diesem Jahr ihren 500. Geburtstag. Dafür wird ihr ab Pfingsten in der Gemäldegalerie eine Sonderausstellung ausgerichtet, wo die Geschichte ihrer Entstehung und vor allem ihres spektakulären Ankaufs 1752 für Dresden näher beleuchtet wird.

Dazu kommt eine Schwester-Madonna Raffaels aus London zu Besuch. Aber es werden auch Auswüchse ihres Ruhms gezeigt: Kurt Schwitters etwa überklebt sie in seiner Collage mit Pferd und fremdem Kopf. Die Engelchen, die sich am unteren Bildrand lümmeln, kehren auf einem Poster als Ernie und Bert aus der „Sesamstraße“ wieder.

Nun aber raus ins Freie. Zwar ließen sich die wesentlichen Kunstepochen auch in der Gemäldegalerie studieren, doch bietet Dresden dies alles auch aus Stein gehauen umsonst und draußen. Vielfach ist es das Werk eines akribischen Wiederaufbaus, zumindest aber umfassender Sanierung, denn nach den Bombentreffern auf Dresden im Februar 1945 und dem anschließenden Feuersturm wurde die Innenstadt katastrophal zerstört.

Wiederaufgebaut ist etwa das Schloss, ein Renaissancebau mit dem typischen gestuften Schaugiebel, Erker und Turm. Drinnen kann man die Schätze des Grünen Gewölbes bewundern, Schmuck und Kunsthandwerk aus der Sammlung Augusts des Starken. Und auch das aufgespannte türkische Zelt, das er sich zur Selbstdarstellung als Sultan kommen ließ und das in der Helmstedter Paramentenwerkstatt St. Marienberg restauriert wurde.

Gegenüber dem Renaissanceschloss prunkt mit der Semperoper die Neorenaissance. So nahm Gottfried Semper 1878 den alten Stil wieder auf. Sogar eine Quadriga hat er auch aufs Portal gestemmt. Aber hier handelt es sich nicht um die Personifikation von Kriegs- und Herrscherruhm, sondern hier lenkt Gott Bacchus, Beschirmer der Künste, an der Seite seiner Geliebten Ariadne den Wagen mit vier Panthern. Auch den abgebrannten Vorgängerbau hatte Semper entworfen. Pikant genug, denn damit schuf ein steckbrieflich gesuchter Revolutionär ausgerechnet ein königliches Hoftheater. Noch 1849 hatte Semper mit Richard Wagner an der Dresdner Revolution mitgewirkt.

Ein guter Tipp, um die Semperoper auch musikalisch zu erleben, sind die Intermezzi, kurze Spielopern, die früher zwischen den Aufzügen der großen Opern gegeben wurden und die nun als einstündige Stücke oft zur Mittagszeit von der Semperoper angeboten werden. Dazu gibt es eine Hausführung.

Auch die Gemäldegalerie gegenüber hat Semper gebaut. Tritt man aus ihr zur anderen Seite heraus, befindet man sich im schönsten Barock des Zwingers. Ein Gartenbau reiner Lust. Da turnen Putten über die Brüstungen, schwingen sich Freitreppen ins Parterre, plätschern Brunnen und klingeln Porzellanglocken. Im Sommer spielt die Landesbühne im Hof Oper und Ballett.

Nicht versäumen: Hinter dem Wallpavillon des Zwingers versteckt, wird das Wasser für das Nymphenbad eingelassen. Ob da eventuell mal der Kurfürst Freiluft geplanscht hat? An anzüglichen Skulpturen fehlt es ringsum nicht.

Statt Putten umsäumen die Brüstungen der schlank aufstrebenden barocken Hofkirche natürlich Heiligenfiguren. Die Zwiebelkuppel auf dem durchbrochenen Turm wirkt wie ein zierliches Krönchen. August der Starke war ja 1697 zum Katholizismus übergetreten, um die polnische Krone erben zu können.

Im Kernland der Reformation war dies nicht gerade ein populärer Schritt. Prompt taten sich die Dresdner Bürger zusammen, um ihre abbruchreife alte Frauenkirche auch durch einen repräsentativen Barockbau zu ersetzen. Der 1743 vollendete Rundbau mit der steinernen Kuppel war nördlich der Alpen einzigartig und konnte es mit St. Peter in Rom aufnehmen. Den Kanonen Friedrichs II. hielt die Kuppel noch stand, im Feuersturm von 1945 stürzte sie ein. Erst nach der Wende setzte der Wiederaufbau ein. Heute kann man die Kuppel besteigen und hat von ihr einen sagenhaften Rundblick über Stadt und Land.

Protestantischer Barock ist selten. Die Dresdner fanden zu einer liturgiekonformen Lösung, indem die Kuppel hier die im Zentrum versammelte Gemeinde schützend überragt wie Gottes Gnade. Und indem die Kanzel zur Verkündigung und Auslegung des Gottesworts in die Mitte vor den Altar verlegt wurde.

Traditioneller wurde bis 1792 auch die mehrfach abgebrannte Kreuzkirche barock wiederaufgebaut. Im Krieg wurde der innere Zierrat zerstört, nur die geschwungenen Formen der Emporen, einheitlich rauverputzt, sind noch sichtbar. Der karge, festlich konzentrierte Gegenentwurf zur pastellbemalten und goldprunkenden Wiederherstellung der Frauenkirche.

Mit dem Kreuzchor sorgt hier einer der weltbesten Knabenchöre für Glanz. Ihm gehörten Opernstars wie Theo Adam und Peter Schreier und unser Braunschweiger Staatstheater-Bariton Henryk Böhm an.

Eine dritte Form der Auseinandersetzung mit historischer Architektur führt das Militärhistorische Museum in Dresdens Albertstadt vor. Hier war der neoklassische Arsenalbau von 1877 noch erhalten, aber Daniel Libes kind hat einen stählernen Keil hineingeschlagen. Das repräsentative Gebäude, das allzu lange nur militärischer Selbstdarstellung gedient hatte, trug nun die Verletzung davon, die Kriege anderen zufügten.

Libeskind interpretiert seine Überbauung auch als Keil der Fragen, der in die nach wie vor bestehende Militärsammlung getrieben wird. Und dies wird im Inneren konzeptuell aufgegriffen. Friedensbewegung und Zivildienst nehmen freilich nach wie vor nur einen minimalen Anteil ein. Aber dieses Museum ist sowieso eher was für den Winter.

Jetzt schnell raus ins Grüne. Mit der Straßenbahn zum Blauen Wunder, der eisernen Elbbrücke, die zum Künstlerort Loschwitz führt, wo einst Schiller die Ode „An die Freude“ schrieb. Das Haus ist wochen ends geöffnet. Oder per Schiff auf der Elbe bis Schloss Pillnitz, in dessen weitläufigem Park eine über 200-jährige Kamelie blüht. Oder durch die Weinberge von Schloss Wackerbarth, wo sächsischer Sekt verkostet wird. Oder in den Liebe thaler Grund, wo am Ende des Waldwegs ein monumentales Denkmal Richard Wagners gedenkt, der unweit in Graupa seinen „Lohengrin“ schrieb. Aber man kann auch innerhalb Dresdens einfach nur durch den Grünen Garten radeln.