Tegernsee. Ruhe, Landschaft und noch mehr Köstlichkeiten gibt es am Fuß der Bayerischen Alpen zu genießen.

Aber ja doch, die herzogliche Familie sei erst kürzlich eingekehrt. Und zur Heiligen Messe in der Kapelle müsse sie ohnehin durchs Gasthaus, wegen der eigenen Empore. Ein Ketzer, der das Geheimgang nennt. Hochwohlgeborener Weg zum Seelenheil, das passt besser. Ja, es gibt dieses Bilderbuch- Bayern, in dem man den Herzog von nebenan schätzt, auch weil er kein Yellow-Press-Prinz ist.

Dieses Bayern aus Bier und Wittelsbach zum Anfassen, man bekommt es im „Alten Bad“ zu Kreuth – wie einen Gruß aus der Küche. Wir sind am Tegernsee und finden Ruhe abseits der ganz noblen Adressen, auf die wir noch kommen. Hier aber, wo sich einmal im Jahr die „Tagesschau“ hinverirrt, wenn die CSU im Tiefschnee tagt, geht es so deftig her, wie man es sich nur wünschen kann.

Das Klischee, der gesegnete Flecken eine Stunde hinter München sei per se unbezahlbar, widerlegt man im Besteckumdrehn. Etwa beim Mittagstisch (alles unter 15 Euro), einem Schweinebraten („frisch aus dem Rohr“) mit Tegernseer Dunkelbiersoße und Knödeln. Oder den „Rehbratwürsteln mit Sauerkraut“ und natürlich: Kalbfleischpflanzerln auf Kartoffel-Gurkensalat. „Pflanzerln“, dies für Zug’reiste, sind Buletten, schmecken aber doch besser. Wäre es nicht noch rechtschaffen kalt, man sicherte sich einen der Plätze vor dem „Alten Bad“, idyllischer Rastpunkt auf Wanderungen – und nur ein paar Schritte bergab gibt es schon wieder was zu essen: Forelle aus der Zucht, herzöglich! Ab in die Kühlbox mit dem Prachtstück. Um daheim ein bisschen zu zehren vom kulinarischen Tegernsee.

Außer ein paar Ecken im Badischen und dem berühmten Baiersbronn gibt es wohl kein Stück Deutschland, in dem gute und beste Küchen so nah beisammen liegen. Da ist das „Alte Bad“ (obwohl Liebling vieler) nur die Vorspeise, die Hauptgänge werden am See serviert. Der, zu dem sie regelrecht pilgern, ist waschechter Westfale. Das legendäre Hotel „Überfahrt“ war immer schon ein Magnet. Christian Jürgens aber (43, zwei Sterne) hat es zu Kult gebracht.

Von Unna nach Bayern: „Ich weiß gar nicht, wo es das sonst so gibt“, schwärmt er vom Leben und den Lebensmitteln am Tegernsee. Jürgens verschwistert Region und Weltküche, nicht nur sein Sashimi vom Tegernsee-Saibling erzählt davon. Wem Jürgens Kunst, in der sich Molekulares, Hiesiges und Asia- Crossover famos begegnen, zu „sophisticated“ ist, überlässt sein Wohl dem Küchendirektor der „Überfahrt“: Walter Leufen, Meister mit einem Tick mehr Erdung. Da darf es auch eine zünftige Bauernente sein.

Komponist Johannes Brahms hat über den Wörthersee gesagt, das Idyll lasse es derart viele Melodien regnen, er müsse aufpassen, nicht daraufzutreten. So geht es Feinschmeckern am Tegernsee mit guten Adressen. In Rottach-Egern sollten Sie sich unbedingt einen Abend bei Sternekoch Michael Fell in den diskreten „Egerner Höfen“ gönnen. Aber zum einen raten, heißt, den anderen nicht zu vergessen: Eine Sünde wäre es, den Küchenchef vom „Leeberghof“ auszulassen: Matthias Rödiger ein Sterne-Aspirant, zweifellos. Und erst die Sicht: Bei schönem Wetter auf der Außenterrasse hoch überm See. Ein Angebot, das man schwerlich ablehnen kann.

Und wer sich nach so viel erster Güte dann doch wieder nach Zünftigkeit sehnt: Der Frühschoppen im „Braustüberl“ am See ist ein Muss – nicht nur wegen des anerkannt besten „Obazda“ weit und breit. Hier nimmt seit 300 Jahren Postkarten-Bayern Platz mit Bärten und Lederhosen, serviert wird im Dirndl.

Den urigsten Ort fanden wir freilich nicht dort, wo sonntags in der Früh schon die dicken Münchner Autos parken. Nein, er liegt beim „Aibl“ weiter draußen, am Fuße des Hirschbergs. Thekla, ein stattliches Frauenzimmer, trägt das Herz auf der Zunge und den besten Kaiserschmarrn auf, den wir je genießen durften. Georg Ertl hat die feist karamellisierte Mehlspeis ausgetüftelt. Ertl jagt das Wild für die eigene Küche, Ertl brennt Schnäpse, Ertl backt... Da kriegt man als Gast fast ein schlechtes Gewissen. Fast – aber was bleibt einem schon übrig, wenn auf die Frage „Was gibt’s heut’?“ die Antwort stets die gleiche ist: „Was Guats!“