Piestany genießt einen guten Ruf als Ort des wohltuenden Schlamms

Wenn man ermessen will, welchen Ruf das Örtchen Piestany auf der Weltkarte der Heilbäder besitzt, muss man Klaus Pilz nur die Posse vom 1. April erzählen lassen.

Die Lokalzeitung des 80 Kilometer nordöstlich der slowakischen Hauptstadt Bratislava gelegenen Städtchens beabsichtigte, ihre Leser an jenem Tag mit einer Karikatur zu erfreuen: Gaddafi mit Zigarre – bis zum Hals im Schlamm. Weil zu dieser Zeit international über einen Exil-Standort für den libyschen Diktator spekuliert wurde, lag Piestany gar nicht mal so fern. Theoretisch.

Schon vor 100 Jahren gaben sich hier indische Maharadschas, arabische Scheichs und reiche Juden auf der Suche nach Schmerzlinderung die heilschlammverschmierte Klinke in die Hand. Für Pilz, den 50-jährigen Hotelier aus Wien, der für die Danubius-Gruppe die Kurhotelinsel am Vah-Fluss führt, war die Gaddafi-Sache eine Spur zu delikat.

Als Vertreter des größten Arbeitgebers weit und breit (1200 Stellen), der jährlich 750 000 Euro Steuern (plus Dividende) ins Stadtsäckel überweist, bat er die Spaßvögel von der Zeitung um Zurückhaltung. Die Schlammschlacht blieb aus. Wer will denn auch schon freiwillig mit Gaddafi im selben Schlamm hocken? Jenem schwefelhaltigen Schlamm, in den der Legende nach ein Pfau sein gebrochenes Bein gesteckt haben soll, um kurz danach wie neu geboren sein Rad zu drehen. Seither kommen die Menschen zu Tausenden her, um sich von Rheuma und Arthrose kurieren zu lassen.

Der Behandlungsklassiker geht so: Zehn Minuten ins 43 Grad heiße Schwefelthermalwasser, zehn Minuten ins ebenso heiße Schlammbecken, 20 Minuten, eingepackt wie eine Mumie, auf der Nachschwitzbank ausruhen, anschließend 20 Minuten Massage. Fertig. Fix und Fertig sozusagen.

Die Wirkung des Gesundbrunnens, dem sich schon Operettenkomponist Franz Lehár und die Schriftstellerin Selma Lagerlöf anvertrauten, ist so anerkannt, dass Klaus Pilz von Fällen zu berichten weiß, wo Patienten nach den einschlägigen Kuren tatsächlich dem Sinnspruch der Statue folgten, die Piestanys Heilkraft verkörpert. "Surge et ambula – Steh auf und geh", heißt es dort. Und zeigt einen Mann, der über seinem Knie eine Krücke in Stücke bricht.

Wer den üppigen Kurkomplex durchstreift, muss sich Zeit nehmen. Sechs Hotels verschiedener Kategorien stehen bis zu 2300 Gästen auf einmal zur Verfügung. Flaggschiff ist das 1912 erbaute und 2006 renovierte "Thermia Palace" – ein Jugendstil-Schätzchen mit imposanten Kristalllüstern, Geländern aus poliertem Messing und Bleiglas-Ornamenten, in dem der Charme der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie eine angenehme Zauberberg-Atmosphäre schafft – Neun-Loch-Golfplatz inklusive.

30 Prozent der Gäste, die die tschechischen Standorte Karlsbad oder Marienbad lieber links liegen lassen, kommen aus Deutschland. Das Haus hat mit mehreren deutschen Krankenkassen Verträge.

"Man weiß, bei uns kann man gesund werden", sagt Klaus Pilz und wünscht den Testbesuchern im Badehaus Irma noch einen schönen Schnupper-Aufenthalt. Ach so, nur Vorsicht bitte beim sehr gesunden Thermalwasser, das wie alles in Piestany den Geruch von faulen Eiern (Schwefel!) nicht ganz verbergen kann. "Putzt den Magen, füllt die Hose", sagt Pilz.