Reise-Trends. Die Bergdörfer im Norden Spaniens entvölkern sich immer mehr. Der Tourismus ist eine neue Chance.

Es ist das Schicksal vieler spanischer Bergdörfer. Die jungen Leute ziehen in die Städte, weil ihnen das Landleben zu beschwerlich ist. Zurück bleiben die Alten, so wie in Los Cos in der Provinz Kantabrien.

In dem winzigen Ort rund eine Autostunde von der Atlantikküste entfernt, gibt es inzwischen mehr Hunde als Menschen. "Wir sind nur noch zehn Bewohner hier. Die Jungen sind alle fortgezogen", sagt Bauer Vincente Blanco. Nach getaner Arbeit spaziert er zu einer Bank am Rande des Dorfes. "Ein wunderbarer Tag", freut er sich und genießt den Blick über das grüne Hochtal von Liébana.

Im Osten ragt der markante Tafelberg Peña Labra aus dichten Eichen- und Buchenwäldern empor. Nach Westen erhebt sich das bis zu 2650 Meter hohe Gebirgsmassiv der Picos de Europa.

Nur wenige Wanderer finden den Weg hinauf nach Los Cos. Vincente freut sich über die seltenen Besucher und fängt an zu erzählen. "Ich habe mein ganzes Leben hart geschuftet", erzählt der Senior, lupft die Kappe und zeigt auf seine grauen Haare.

Er ist Viehzüchter, Weinbauer, Schnapsbrenner und Imker. Auf die Rinderherde mit 60 Tieren ist er besonders stolz. Seine Bienen liefern aromatischen Honig, und aus den Trauben der beiden Weinberge keltert er den süßen Tostaniego-Wein oder brennt Orujo-Schnaps, der wie Grappa schmeckt. "Alles ist natürlich und ohne Chemie", versichert der Landwirt. Einen Nachfolger für seinen Hof hat er nicht. Wenn er und die anderen Alten nicht mehr sind, drohen Orte wie Los Cos zu verfallen und der Wald die unbewirtschafteten Weiden zu verschlingen.

Schon jetzt stehen Tausende von Häusern leer und verfallen. Doch es gibt auch eine andere Entwicklung. In vielen spanischen Bergdörfern wurden Bauernhäuser liebevoll restauriert und in komfortable Feriendomizile umgewandelt.

Wie in Basieda, rund zehn Kilometer von Los Cos entfernt. Hier hat ein englisches Paar vor Jahren ein heruntergekommenes Anwesen gekauft und in zwei Jahren aufwendig renoviert.

Mehr Tourismus könnte helfen, die oft wunderschönen Dörfer zu erhalten. Davon ist der neue Besitzer Richard Beazley überzeugt. Es braucht viel Idealismus und auch viel Geld für ein solches Projekt. Beides hatte der englische Geschäftsmann, der vor Jahrzehnten Hippie-Klamotten in Indien nähen ließ und später ein teures Modegeschäft im Zentrum von London führte.

Kein Vergleich zu seiner neuen Heimat Basieda, das gerade einmal neun Einwohner zählt. "Das Dorf liegt wie eine Insel in den Bergen", schwärmt Richard. Auf modisches Outfit legt hier niemand Wert. Viel wichtiger sind dagegen Wanderstiefel und Regenjacke.

Ein idealer Ort für Naturfreunde und stressgeplagte Großstädter, die Stille und Abgeschiedenheit suchen. Bei manchen Gästen stellt sich schon nach wenigen Tagen eine wohltuende Trägheit ein. "Wir nennen das die Basieda- Krankheit", sagt Richard. Hier bleibt es auch in der Hochsaison ruhig, abgesehen von dem Bimmeln der Kuhglocken, dem Summen der Insekten und den Schreien der Raubvögel, die über den Berggipfeln kreisen.

Durch die tiefen Wälder streifen einige scheue Bären, die man nur selten zu Gesicht bekommt. Die Wirtin Martha aus dem nahen Ort Caloca hatte Glück. "Ich habe vor zwei Tagen eine Bärin mit ihrem Jungen oben am Funkmast gesehen", erzählt sie. Angst vor den Tieren hat sie keine. "Die fressen nur Blumen und Grünzeug", sagt die Frau.

Und Honig. Deshalb mögen Imker die Bären gar nicht leiden. Vor kurzem hat ein Petz in der Nähe mehrere Bienenstöcke geplündert.

Nur drei Tischchen haben Platz in der winzigen Gaststube, deren Wände mit Bärenfotos dekoriert sind. An einem Tisch sitzen alte Bauern des 30-Einwohner-Dorfes. Wer in den kantabrischen Kordilleren zu Fuß unterwegs ist, sollte auch im Sommer auf alles gefasst sein.

Schnell kann das Wetter umschlagen und Nebel die Sicht rauben, der sich manchmal tagelang festsetzt. Vor allem Spanier kommen im Sommer aus den heißen Großstädten hinauf in die kühleren Berge. Besonders schön zum Wandern ist der Herbst, wenn sich die Eichen und Buchenwälder verfärben.

Im Winter zieht es nur wenige Touristen hierher. Manche Politiker wollen dies ändern. Sie planen ein Skigebiet mit Liften an dem Pass Puerto de San Glorio.

Viele Einheimische sind dagegen, wie auf Graffiti mit Protestparolen zu lesen ist. Auch Richard findet die Pläne schlimm. "Die schöne Landschaft wäre dann ruiniert", befürchtet er.