Die Reise-Reportage: In der verwinkelten Altstadt von Toledo findet man auf Schritt und Tritt die jahrhundertealten Spuren von drei Kulturen.

Mel Gibsons mächtiges Braveheart-Schwert thront in der Mitte. Fächerförmig sind die Hiebwaffen in der Schaufensterauslage präsentiert. Rechts klebt an einem der handgeschriebenen Zettel "Conan".

Links das etwas feiner gearbeitete Schwert von Aragorn aus der "Herr der Ringe"-Trilogie. Besser in den Koffer würde Legolas’ Dolch passen. Das Geschäft in der Altstadt von Toledo, hoch oben über der 180-Grad-Schleife des Rio Tajo, hat eine reiche Auswahl – und reichlich Konkurrenz.

Stahl aus Toledo war schon im sechsten Jahrhundert für seine Biegsamkeit und Schärfe bekannt. Heute bleiben die Waffen stumpf. Der Preis ist überraschend niedrig, kaum mehr als 100 Euro kosten einige Exemplare. Das seien die Touristenschwerter, verrät der Verkäufer – in Taiwan produziert. Wer ein echtes Toledo-Schwert kaufen möchte, muss bis zu 8000 Euro hinblättern.

Zwischen den Dutzenden "Espaderías" wird "Mazapán de Toledo" angeboten. Kulturhistoriker meinen, die Leckerei sei wenige Jahrhunderte nach Christus mit den Arabern nach Europa gekommen. Auch diese Handwerkskunst ist hier von Generation zu Generation bis heute weitergegeben worden. Nichts, was es nicht aus Marzipan gibt: kunstvoll verzierte Torten, Pralinen, Gebäck.

Freunde des Süßen wie des Martialischen kommen in Toledo, 70 Kilometer südwestlich von Madrid, auf ihre Kosten. Toledo ist uralt. Toletum hieß es bei den Römern, später war Tolaitola ein Vorposten im Maurenreich bis zur christlichen Rückeroberung im Jahr 1085. Bis ins 16.Jahrhundert war Toledo stolze Hauptstadt Kastiliens. Und bis zur Inquisition lebten Christen, Juden und Mauren Hunderte Jahre friedlich nebeneinander. Das urbane Museum Toledo heißt auch "Stadt der drei Kulturen".

Alle haben sie im Gassenlabyrinth der Altstadt Spuren hinterlassen. Wer dort hinauf will, wählt meist den Weg durch die Puerta del Sol mit dem unverkennbar maurischen Torbogen zur belebten Plaza Zocodover oder die bequeme Variante an der Puerta de Alfonso VI.: Sechs überdachte Rolltreppen befördern hier Tag und Nacht Menschen in zwei Minuten zur Altstadt hinauf.

Die80000-Einwohner-Stadt, Weltkulturerbe, ist klein genug für einen Tagesausflug beim Madrid-Trip und groß genug für ein verlängertes Wochenende. Praktischerweise ist Toledo an den öffentlichen Nahverkehr der Hauptstadt angebunden. Wer in den verwinkelten Gassen einfach drauflosbummelt, bekommt den besten Eindruck.

An allen großen Sehenswürdigkeiten kommt man früher oder später vorbei. An der beeindruckenden und ab 1227 gebauten Kathedrale mit ihrer riesigen goldüberzogenen Hauptkapelle. An der Tránsito-Synagoge im Mudéjar-Stil oder an dem gewaltigen Monasterio de San Juan de Los Reyes. Die nördliche Außenwand der gotischen Kirche ist mit dicken Ketten behängt. Sie sollen von Christen stammen, die aus maurischer Gefangenschaft befreit wurden.

Geschichtlich verbürgt ist, dass sich in der riesigen Alcázar-Festung, die am Ostrand der Altstadt die Silhouette Toledos bestimmt, im Sommer 1936 im spanischen Bürgerkrieg über tausend Anhänger des späteren Diktators Franco verbarrikadierten. Nach zwei Monaten nahm Francos Armee die Stadt ein. Toledos Alcázar wurde ein Symbol für den Sieg des Franco-Regimes – und für ein Blutbad unter der restlichen Bevölkerung.

Heute beherbergt der Festungsbau das staatliche Militärmuseum und die öffentliche Bibliothek der Region Kastilien-La Mancha. In ihrem Obergeschoss gibt es ein Café, das wegen des Blicks über Toledo lohnt. Noch besser ist es, wenn man sich zwecks Übersicht aus der Stadt herausbewegt. Ein Fünf-Sterne-Panorama wartet.

Das wusste El Greco schon im Jahr 1608, als er "Ansicht von Toledo" malte. In der Calle de Samuel Levi im einstigen Judenquartier findet man das Bild im El-Greco-Museum, das nach fünf Jahren Renovierung im März 2011 wieder öffnete. Weitere Werke hängen in den Kirchen und Häusern dieser vielgestaltigen Stadt.