Die Reise-Trends: An der Albanischen Riviera erlebt man noch einsame Buchten und Strände am Ionischen Meer.

Es hat schon etwas Magisches, dieses Butrint, ganz im Südwesten von Albanien: Von einem Hügel mitten in der alten Ruinenstadt blickt der Besucher nach Westen. Dort im Dunst hinter dem von Kanälen und Meeresbuchten durchzogenen Sumpfland sowie einem kleinen Streifen Meer liegt die griechische Insel Korfu. Nur sieben bis acht Kilometer sind es hinüber. Und doch trennen den Reisenden Welten von der Ionischen Insel.

Die Albanische Riviera, wie der 80 Kilometer lange Küstenabschnitt von Butrint nach Norden genannt wird, ist vielleicht so, wie Griechenland einmal war, bevor die Touristenströme kamen. Sicher liegt das an vielen Vorurteilen über mangelnde Sicherheit oder fehlende touristische Infrastruktur, gegen die Albanien noch immer zu kämpfen hat.

Asien, Afrika, selbst der Himalaya sind inzwischen für viele keine exotischen Ziele mehr. Aber Albanien? Dabei hat das Land mindestens die gleichen Reize zu bieten wie die mediterranen Nachbarn: trockenes Klima mit fast 300 Sonnentagen pro Jahr, herrliche Küsten- und Berglandschaften, türkisblaue Buchten und viel Kulturgeschichte. Hinzu kommen Menschen, die sehr aufgeschlossen, ausgesprochen gastfreundlich und zuvorkommend sind.

Weiteres Plus: Im Land der Skipetaren ist alles wesentlich günstiger als bei den Nachbarn. Noch ist Albanien kein Land für Pauschaltouristen, sondern ein Ziel für Entdecker, die auch ohne großen Luxus auskommen.

Dazu gehört das zum Unesco-Weltkulturerbe zählende Butrint, eine antike Stadt, die erst zu einem Fünftel ausgegraben ist. Zuerst griechisch-illyrisch, dann römisch, später byzantinisch und schließlich venezianisch hat sie eine jahrhundertealte Geschichte. Aeneas, der Stammvater der Römer, soll der Sage nach hier gewesen sein. Julius Cäsar war ganz sicher zu Besuch, als er eine Kolonie für Veteranen gründete.

Im 18. Jahrhundert baute der osmanische Würdenträger Ali Pascha Tepelena am Übergang zum Meer eine kleine Festung. Ali Pascha war es auch, der südlich von Himara, dem heutigen Zentrum der albanischen Riviera, bei Porto Palermo ein dreieckiges Kastell auf einer Halbinsel errichtete. Bei einem Besuch der Burg kann es passieren, dass der Torposten dem Interessierten kurzerhand den Schlüssel zum Gebäude überreicht, das dann auf eigene Faust erkundet werden kann.

Einige Hundert Meter über die Bucht mit dem kristallklaren Wasser hinweg ist der Eingang zu einem ehemaligen sowjetischen U-Boot-Bunker zu sehen. Bis heute prägt das Militärische diesen Küstenstreifen nachhaltig: Einerseits hat neben der abgelegenen Lage die Sperrzone zum nahen Griechenland die Region lange Zeit davor bewahrt, touristisch ausgebeutet zu werden. Es gibt viele unbebaute und menschenleere Buchten und Strände wie sonst kaum noch am Mittelmeer.

Andererseits fallen überall Bunker auf, die bis zu den Stränden hin das Land verunzieren. Irritierende Hinterlassenschaften des Ex-Diktators Enver Hoxha, der jedem Albaner seinen eigenen Schutzraum bauen lassen wollte. Über 800 000 Bunker sollen es im ganzen Lande sein. Ein weiteres Manko der ansonsten traumhaften Strände ist die Tatsache, dass sich die Albaner offensichtlich wenig Gedanken über Umweltverschmutzung machen und ihren Müll vor Ort entsorgen.

Allerdings hat Albanien – von einem sehr niedrigen Niveau herkommend – in den letzten Jahren die rasantesten und massivsten Veränderungen auf dem Balkan durchlaufen. Vielfach ist das Land zwar noch weit von unserer Anspruchshaltung entfernt. Aber Urlaub ist hier inzwischen problemlos möglich.

Hotels, Cafés und Restaurants finden sich an allen interessanten Ecken. Und die regionale Nationalstraße SH8 ist seit 2008 keine Schlagloch-Piste mehr, sondern hat eine gut ausgebaute Fahrbahn. Nur die vielen Kurven sowie Menschen und Tiere auf der Strecke fordern vom Fahrer immer noch eine erhöhte Aufmerksamkeit. Und wenn Besucher von Norden her den 1025 Meter hohen Llogara-Pass passieren, sozusagen das Tor zur Albanischen Riviera, geraten nicht schwindelfreie Zeitgenossen möglicherweise ins Schwitzen.

Zu heiß kann es dem Reisenden ebenfalls im Sommer werden, wenn die Temperaturen durchaus 40 Grad erreichen können – allerdings häufig von einer Meeresbrise gemildert. Die Hauptsaison ist auch die einzige Zeit, zu der es eng wird an den Stränden und in den Hotels. Allerdings sind selbst dann keine Ausländer, sondern meist Albaner aus den großen Zentren des Landes die Gäste.

Das führte dazu, dass punktuell eine größere Bautätigkeit eingesetzt hat. Diese wirkt sich im nördlich von Butrint gelegenen Badeort Saranda bereits negativ aus. Wer eine der letzten natürlichen Küsten-Regionen des Mittelmeers noch unberührt erleben möchte, sollte also seinen Urlaub in Albanien bald planen. Besonders der Herbst und das Frühjahr bieten sich an.