In der Region La Mancha wandeln Besucher auf den Spuren von Don Quijote

Nichts wäre das Leben des Pedro Martín Nieto Rodriguez ohne Windmühlen. In seinem kleinen Laden bietet er sie in Groß und Klein an, in Weiß, Blau und Grün. Er verkauft sie als Holzschnitzereien und als Kühlschrankmagneten.

Viele Hundert Mühlen hat er im Sortiment. Und Rodriguez arbeitet sogar in einer Windmühle. Seit 14 Jahren betreibt er sein Geschäft in dem restaurierten Gebäude auf den Hügeln über der Ortschaft Consuegra in der Region Castilla-La Mancha. Und beim Blick aus seinem Fenster sieht Rodriguez fast ein Dutzend weitere Windmühlen. Es sollen diejenigen sein, die dem Schriftsteller Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616) einst als Vorbild für seinen Ritterroman Don Quijote de la Mancha gedient haben.

Der 59-jährige Rodriguez ist so etwas wie der Herr über die Windmühlen, der Herr über die Ebenen und Hügel, Herr über die Mancha. In den Regalen seines Geschäfts finden sich auch immer wieder Figuren und Bilder des Romanhelden Don Quijote und seinem kongenialen Begleiter Sancho Pansa.

Die Geschichte: Nach der Lektüre zahlreicher Ritterromane kramt Don Quijote eine verrostete Ritterrüstung aus einer Truhe, zerrt einen alten Klepper aus dem Stall, tauft ihn auf den Namen Rosinate, und verliebt sich in das Bauernmädchen Dulcinea. Dann macht er den untersetzten, dickbäuchigen Sancho Pansa zu seinem Knappen und startet seine Reise durch die Ebenen, um "das Unrecht und die Unterdrücker zu bekämpfen".

Die bekannteste Episode ist die, in der Don Quijote Riesen in den Windmühlen sieht und diese bekämpfen will, bis er von den Windrädern fast erschlagen wird. "Dort siehst Du, Freund Pansa, wie 30 Riesen oder noch etliche mehr zum Vorschein kommen. Mit denen denke ich einen Kampf zu fechten und ihnen allen das Leben zu nehmen", legte Cervantes seinem Romanhelden in den Mund.

Keiner weiß, wo der Mühlenkampf stattgefunden hat. Einige sagen, es sei in Campo de Criptana gewesen, wo am Nachmittag immer noch die Flügel von fast einem Dutzend Mühlen in den stahlblauen Frühjahrshimmel ragen. Andere sagen, er habe sich in Mota del Cuervo zugetragen, wieder andere schwören, Consuegra habe Cervantes als Vorbild gedient.

Bis heute streitet man sich in der Mancha darum, was wo geschah. Fest steht: Don Quijote ist nie auf Rosinante durch die Mancha geritten. Er kämpfte nie gegen Windmühlen, bezog nie Prügel in einer zwielichtigen Absteige, kämpfte nie gegen Löwen und Zauberer. Auch Sancho Pansa ist nur ein Hirngespinst seines Erfinders. Trotzdem ist sein Name untrennbar mit der Mancha verbunden.

Don Quijote wurde zum National- helden Spaniens und Cervantes Roman zum Nationalepos. 2005 feierte der Roman sein 400-jähriges Jubiläum. Und aus der literarischen Figur ist ein Werbeträger geworden. Zum Jubiläum ist die Ruta del Don Quijote ins Leben gerufen worden, eine 400 Kilometer lange Route über zehn Etappen, an der man heute an jeder Ecke dem Don Quijote begegnet. Sie führt südlich von Toledo kreuz und quer durch La Mancha. Olivenbäume und Wolken soweit das Auge reicht Riesige Schilder weisen überall den Weg. Bars sind nach den Helden des Romans benannt, zum Beispiel die "Venta Don Quijote" in Puerto Lápice, wo Don Quijote einst zum Ritter geschlagen worden sein soll.

Viele Hundert Mühlen soll es im Spätmittelalter in der Region gegeben haben, heute sind es noch ein paar Dutzend. Die meisten davon sind nicht mehr funktionsfähig.

Doch viele Orte haben ihre Mühlen als Tourismusmagneten entdeckt und restaurieren die teilweise mehrere Hundert Jahre alten Gebäude. So zum Beispiel in Campo de Criptana. Für fast eine Million Euro ließ man die insgesamt zehn Windmühlen auf der Sierra de los Molinos im Stadtviertel Albaicín hoch über der Stadt restaurieren.

Wie mächtige Skelette aus Holz und Kalk thronen die Mühlen in der Sonne, schnurgerade führen kleine Sträßchen durch die Landschaft, Wolken ziehen vorbei, Felder liegen da wie grüne Blätter Papier, die Olivenbäume sind jahrhundertealt, und es gibt Weinreben, soweit das Auge reicht.

Nur wenige Orte gibt es, die im Roman wirklich vorkommen, am häufigsten erwähnt wird El Toboso. Dulcinea soll hier geboren worden sein. Und deswegen ist heute fast alles der Dame gewidmet: Auf dem mittelalterlichen Marktplatz der 5000-Seelen-Gemeinde betet ein Don Quijote aus Eisen seine Dulcinea an.

Nur ein paar Schritte weiter liegt das Museo Cervantino. Die hübsche Amalia führt durch die Räume. Don Quijote-Ausgaben in 51 Sprachen sind hier ausgestellt. Ein paar Schritte weiter liegt die Casa-Museo Dulcinea, ein Haus aus dem 16. Jahrhundert, das außer seines Alters nicht viel mit Don Quijote oder seiner Angebeteten zu tun hat. Zumindest aber soll hier einst Ana Zarco gelebt haben, jene Figur, die Cervantes zur Figur der Dulcinea inspiriert hat.

Pedro Martín Nieto Rodriguez liebt den Ort seiner Arbeit über Consuegra, aber Don Quijote hat er nur ein einziges Mal gelesen. "In der Schule", sagt er. Doch die Bilder "haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt." Wie die Weite. Der Wein. Und die Windmühlen.