Einst waren die schwimmenden Häuser ein Pionierprojekt – nun liegen sie schon in zweiter Generation im Hafen

Eisig weht der Wind aus Nordost. Eine schmale Fahrrinne verläuft vom Hafen Lauterbach durch den Greifswalder Bodden hinüber zur Insel Vilm, dem Sitz der Internationalen Naturschutzakademie. Unweit des Anlegers verlaufen Stege, die im Winter zu verwaisten Boots-Liegeplätzen führen.

An einem dieser Stege liegen zwölf Häuser. Schwimmende Häuser im Hafen, wie geschaffen für eine Auszeit. "Manche unserer Gäste, viele davon Autoren oder Künstler, quartieren sich gleich für einen Monat ein, schalten das Handy ab und widmen sich einer kreativen Arbeit", erzählt Mitbegründer Till Jaich. Die Gäste lieben es, wenn morgens die Tüte mit den frischen Brötchen an der Eingangstür im Wind baumelt, ein Schwarm Möwen kreischend übers Haus fliegt und vom Ufer her das stete Klimpern der Leinen an den Segelmasten der aufgedockten Boote im Hafen zu hören ist. "Zurückgezogen, aber nicht allein", sagt Jaich.

Inspiriert von der Gegend war auch Tills Vater Ingo, als er kurz nach der Wende die Küste Mecklenburg-Vorpommerns erkundete und irgendwann in Putbus auf Rügen landete. Im nahen Vorort Lauterbach fand er das fürstliche Badehaus Goor mit seiner imposanten Säulenfassade – ein idealer Ort für die Pläne des erfahrenen Jachthafenbauers.

Eine Wasser-Erlebniswelt mit Segel- und Jachthafen und schwimmenden Häusern wollte Ingo Jaich schaffen. Frostfreie Wasserleitungen, spezielle Abwasserdruckpumpen und eine eigene Heizzentrale waren damals nur einige der Hürden, die es zu nehmen galt, bevor 1998 das erste Haus zu Wasser gelassen wurde. Seither trägt die Bucht auch ihren Namen: "Im Jaich".

Bei der zweiten Generation der schwimmenden Häuser, von denen zehn im Mai 2010 vom Stapel gingen, lagen die Hürden noch einmal deutlich höher. "Der planerische Aufwand steht in keinem Verhältnis mehr", berichtet Till Jaich, der heute die Geschäfte seines Vaters weiterführt.

Allein das Raumordnungsverfahren und die Umweltverträglichkeitsprüfung hätten reihenweise Aktenordner gefüllt. So sei in einem Monitoring-Verfahren ein Jahr lang das Verhalten der heimischen Brut-
und Rastvögel kartiert worden. Weitere 30 Träger öffentlicher Belange, wie etwa das Bergbauamt, hätten durch Gutachten und Expertisen überzeugt werden müssen. Insgesamt habe der Marathon einschließlich der wasserrechtlichen Genehmigung rund viereinhalb Jahre gedauert.

Doch mittlerweile sind die schwimmenden Häuser von Rügen über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Gut 60 Tonnen bringt ein neues Haus auf die Waage – gerade mal so viel, wie der Bootskran heben kann. Nicht minder maßgerecht ist auch die Qualität der Häuser, die auf betonummantelten Photons aus Kunststoff errichtet sind und bis zu 70 Zentimeter ins Wasser eintauchen.

Bullaugen verleihen ihnen maritimes Flair und großzügige Glasfronten holen die Wasserwelt ins Wohnzimmer. Innen vermitteln die jeweils 49 und 71 Quadratmeter großen Häuser ein skandinavisches Ambiente. Auch die verschiedenen Pastelltöne, in denen die Häuser mit witterungsbeständigen Spezialfarben gestrichen sind, erinnern an den hohen Norden.

"Insgesamt erwachsener geworden", sei die zweite Generation der Häuser, resümiert Till Jaich. Etwas geräumiger, dazu besser wärmegedämmt und der Boden besteht aus Eiche. Nicht zuletzt sei die maritime Welt

"Im Jaich" seit letztem Frühjahr CO2-freie Zone: Solarthermie, verbunden mit einem Rapsöl befeuerten Blockheizkraftwerk, versorgen seither die Wasserheime.

Der agile Geschäftsführer spaziert den 150 Metern langen Steg am Hafen entlang. Aus der Ferne ist das Krachen des letzten Eises in der Fahrrinne zu hören, eine Entenfamilie watschelt vorbei. Winter-Idylle am Bodden. Und in den Häusern regiert das kreative Schaffen.