Dakar. Die westafrikanische Inselgruppe Kapverden mausert sich zum Trendziel. Am ursprünglichsten ist sie auf Santo Antao.

Der Wind fährt ins Segel, bläht es zu einem übergroßen Bauch und schiebt das Boot auf den Atlantik. Kapitän Alfonsin steckt das Ruder ins Heck und zurrt den Mast fest.

Es gibt kein blinkendes Messing an Bord, kein elektronisches Instrument. Mit dem ganz aus Holz gefügten Stück fährt Alfonsin Tag für Tag hinaus zum Fischen. Heute hat er Touristen mitgenommen, und das ist neu.

Die Fischer von Salamansa auf der Insel Sao Vicente haben sich einem Projekt des World Wildlife Fund angeschlossen: Es soll kapverdischen Schülern die Schönheiten der Heimat nahebringen. Um sie kennenzulernen, schnorcheln sie durch das Küstengewässer und haben Algen, Schildkröten, tote und lebende Korallen gesehen. Ein lebendiger Aufklärungsparcour.

Es gibt Neues auf den Kapverden, den 15 Inseln 500 Kilometer westlich der Küste Senegals, und es sind nicht nur die All-Inclusive-Burgen auf Sal und Boavista.

Neu ist etwa ein Naturschutzprojekt, bei dem Freiwillige die Nester von Meeresschildkröten bewachen und Touristen dabei sein können, wenn frisch geschlüpfte Panzerträger munter ins Meer wuseln.

Auf Santo Antao verkauft man nun heimische Marmelade und aromatische Bergkräuter. Sogar die Musik ist neu: Zwischen die alten Mornas und Caldeiras mischen sich die Klänge von Hernani, der melodiöse Gitarren auf die alten afrikanischen Rhythmen setzt.

Schon vor Jahren hat die Regierung den Tourismus zum obersten Wirtschaftsmotor erklärt, die Zahl der Übernachtungen ist rapide gestiegen: Von 290000 in 2006 auf über zwei Millionen im vergangenen Jahr. Straßen wurden asphaltiert, Sao Vicente hat einen neuen internationalen Flughafen, Universitäten bieten touristische Ausbildung an, jeder Betrieb hat ein Beschwerdebuch zu führen.

80 Prozent aller Besucher zieht es an die Strände von Sal und Boavista. Solange sich der Massentourismus auf die „Sandinseln“ konzentriert, bleiben die anderen halbwegs intakt: Fogo mit seinem schwarzen Vulkan. Die Sierra Malagueta auf Santiago, eine zerklüftete Berg- landschaft mit Felsabbrüchen, die nach der Regenzeit von grünem Pelz überzogen ist. Und nicht zuletzt das Schmuckstück: Santo Antao.

Dort haben Flüsse Canyons eingeschnitten, Drachenzähne ragen in den Bergen hoch, und hinter blauen Zacken leuchtet es abends, als würde Eisen geschmiedet.

Der Weg zum Pico da Cruz steigt zwischen Bananenhainen und strohgedeckten Steinhäusern steil an. Rufe schallen von Feld zu Feld, die Fischverkäuferin mit dem Korb auf dem Kopf ist unterwegs. „White“, der Führer, der seinen Spitznamen trägt, weil er weniger schwarz ist als seine Kumpel, mahnt zur Bedächtigkeit: Nur langsam sind die 1500 Meter Höhe zu bewältigen.

Stein für Stein wurde der Weg einst im Auftrag der portugiesischen Kolonialherren gepflastert. Ein alter Mann jätet seine Tabakpflanzen. Ob man vielleicht die Wasserflaschen...? Kein Problem, sagt Anton Fonseca und zeigt seinen Tank. Zerschlissene Maisstrohbetten liegen zum Trocknen aus. Seine Frau Vitoria wischt sich die Hände an der Schürze ab.

Seit 1985 leben sie hier und haben fünf Kinder großgezogen. Sicher ist das ein wunderschöner Flecken Erde mit diesem Blick ins Grün – und ganz weit vorne, ganz weit unten das blaue Meer. Aber das Leben ist hart. Tausendfüßler haben die Maissaat aufgefressen. Und ein Ende der Plackerei ist nicht in Sicht: „Vitoria ist 70, ich 74, aber wir müssen weitermachen. Was sollen wir sonst tun?“.

„White“ hat inzwischen seine Sportschuhe gegen Flipflops getauscht und macht immer mal wieder Halt, um seinen Wintervorrat an Zitronenthymian einzusammeln: Gut gegen Erkältung, das Kraut!

Nach anstrengenden vier Stunden steht eine letzte Pause an. Bei den Jungs Amils und Cledir, die gerade allein zu Hause sind. Cledir macht Ziegenkäse fertig. Hühner laufen umher, an der Mauer trocknet ein Ziegenmagen, der Lab für die Käseherstellung liefert. Der halbblinde Amils wippt mit den Füßen zu „Staying alive“ aus dem Kofferradio, wippt in seinen hundertfach geflickten, viel zu großen und schon wieder zerrissenen Schuhen – und die schicken Strandschönheiten von Sal, die moderne Marina von Mindelo, die reich bestückten Frühstücksbüfetts der Hotels von Boavista scheinen jetzt Lichtjahre entfernt.

Abends am Hafen von Punta do Sol hat der Wirt einen Tisch unter freiem Himmel aufgestellt. Zu gegrilltem Seehecht gibt es Platten mit Yams, Maniok, Süßkartoffeln und all dem leckeren Grünzeug, das oben auf den Hängen wächst.

Jupiter leuchtet, der Atlantik donnert, einige Jungs spielen „Saudade“, das Lied der Melancholie, die heimliche Hymne der Inseln. Jetzt wird es Zeit für einen Grogue, den scharfen Zuckerrohrschnaps. „Saúde!“.

Sollen sie auf Sal und Boavista bande, surfen und durch die Läden ziehen: Am Ende findet auf den Kapverden jeder, wonach ihm der Sinn steht.