Braunschweig. Der CDU-Finanz-Staatssekretär kann sich ein mögliches Dreierbündnis mit der FDP vorstellen.

Jens Spahn (CDU) gilt mit seinen 37 Jahren schon als politisches Urgestein. Nach 2002, 2005, 2009 und 2013 will er zum fünften Mal in Folge seinen Wahlkreis Steinfurt I-Borken I gewinnen. Aktuell ist Spahn Staatssekretär im Finanzministerium. Auf Einladung seines Parteifreundes, des Bundestagsabgeordneten Carsten Müller, war Spahn in Braunschweig und sprach mit Dirk Breyvogel und David Mache über politische Visionen und Realitäten.

Herr Spahn, wie nehmen Sie das Säbelrasseln zwischen Nordkorea und den USA wahr? Und sind Ihre schlimmsten Befürchtungen mit Blick auf die Präsidentschaft von Donald Trump übertroffen worden?

Zwei Dinge sind mir wichtig festzustellen: Die USA sind nicht Donald Trump und Trump nicht die USA. Und zweitens: Die Amerikaner bleiben Deutschlands wichtigster Partner außerhalb der EU. Es gibt auch politische Ansätze der neuen US-Administration, über die es sich lohnt nachzudenken. Und ja, es stimmt: Einiges, was in der letzten Zeit aus dem Weißen Haus heraus kommuniziert und getwittert wurde, war mehr als irritierend.

Welche lohnenswerte Ansätze meinen Sie?

Zum Beispiel die Frage: Was ist fairer Handel? Wir haben ja auch in Deutschland mit Chinas Handelspolitik unsere Probleme, wenn wir beispielsweise auf die Stahl- oder Solarindustrie schauen. Oder die Frage: Was ist uns die Nato wert? Die Forderung an die europäischen Staaten, selbst mehr für Verteidigung auszugeben, hat übrigens bereits Barack Obama erhoben.

Und beim Korea-Konflikt? Gibt es Signale, die sie aktuell positiv stimmen?

Der Aggressor sitzt doch eindeutig in Pjöngjang und nicht in Washington. Leider scheint bei manchem deutschen Spitzenaußenpolitiker der Kompass nicht richtig justiert zu sein. Ich habe den Eindruck, dass die USA bisher zu wenig getan haben, um den Konflikt zu deeskalieren. Insofern ist die Initiative von Außenminister Tillerson und Verteidigungsminister Mattis ein positives Signal. Der Schlüssel zur Lösung des Konflikts liegt darin, wie sich China positioniert. Hoffnungsfroh stimmt mich daher, dass der Gesprächsfaden zwischen Trump und Chinas Staatschef Xi nie abgebrochen ist.

Glauben Sie, dass Trump seine Amtszeit übersteht?

Es ist nicht unsere Aufgabe als Bundesregierung darüber zu spekulieren, wie lange ein Präsident im Amt bleibt. Er ist für die volle Amtszeit gewählt. Auch wenn es für uns schon manchmal eine Herausforderung ist, mit der kurzen Halbwertszeit einiger seiner Aussagen umzugehen.

Bei der Integration der Flüchtlinge setzen Sie eher auf Abgrenzung und klare Kante, wenn es beispielsweise um die „doppelte Staatsbürgerschaft“ geht. Gleichzeitig haben Sie für die sogenannte „Ehe für alle“ gestimmt. Ein Zeichen, dass Sie für eine weltoffene Gesellschaft eintreten. Ist das nicht ein Widerspruch?

Nein, im Gegenteil, das passt für mich sehr gut zusammen. Am Ende geht es in beiden Fällen um Werte und Prinzipien, die die Gesellschaft zusammenhalten. Wir sind nach den USA das zweitgrößte Einwanderungsland der Welt und müssen gleichzeitig feststellen, dass Integration über Generationen hinweg zu oft nicht so gelingt, wie es sein sollte.

Woran machen Sie das fest?

Wir haben Millionen von Geschichten, die für eine gelungene Integration stehen. Aber es gibt eben zu viele Zugewanderte, wo wir nicht miteinander, sondern nur nebeneinander her leben, im schlechtesten Fall sogar gegeneinander. Es ist der alte Streit, ob die Staatsbürgerschaft Ziel oder ein Instrument zur Integration sein sollte. Für mich und viele in der CDU ist es das Ziel, weil eine Staatsbürgerschaft auch immer eine bewusste Entscheidung sein sollte. Ich möchte, dass wir in Deutschland Zusammenhalt leben, indem möglichst viele ihr Zuhause, ihre Heimat hier sehen. Bilder vom Rheinufer in Köln von Menschen, die einen Job haben, die Deutsch sprechen und in dritter Generation hier leben und die türkischen Fahne für Erdogan und die Todesstrafe wehen, gehören sicher nicht dazu.

Sie gelten als offen, wenn es um neue politische Konstellationen geht. Glauben Sie, in einem Dreierbündnis mit Grünen und FDP, Stichwort Jamaika, diese Positionen durchsetzen zu können?

Unser Wunschkoalitionspartner, die FDP, und die Grünen bewegen sich. Sogar Cem Özdemir macht aus dem Thema der doppelten Staatsbürgerschaft keine kategorische Glaubensfrage mehr. Ich sehe in dieser Konstellation tatsächlich auch eine Chance, etwa, wie man ein umfassendes Einwanderungsgesetz für den Arbeitsmarkt gestaltet. Auch bei den Maßnahmen der Integration, was wir von Menschen, die zu uns kommen erwarten können, sehe ich Überschneidungen. Wir hätten die Chance, eine große gesellschaftliche Debatte zu befrieden und die Weichen für die nächsten Jahre richtigzustellen.

In diesen Tagen diskutiert Deutschland über den Diesel und darüber, ob die Politik den Einfluss auf die Autobauer zu lange auf ein Mindestmaß reduziert hat. Fällt Ihnen das jetzt auf die Füße?

Natürlich beschäftigt das Thema viele Menschen. Zum einen, weil sich viele einen Diesel angeschafft haben. Damit tragen sie im Übrigen erheblich zur Reduktion der CO2-Emissionen bei. Zum anderen, weil feststeht, dass nachweislich betrogen wurde. Zumindest für die Fälle in den USA kann man das heute schon sagen. Möglicherweise gab es Kartellabsprachen in Deutschland. Das alles muss aufgearbeitet werden. Bei manchem Automanager habe ich allerdings das Gefühl, dass er noch nicht verstanden hat, worum es geht.