Berlin. Alt-Bundespräsident Christian Wulff bekommt einen Ehrensold – obwohl er als Anwalt arbeitet. Ist das noch zeitgemäß?

Wulff, immer wieder Christian Wulff. Der Ehrensold für den Alt-Bundespräsidenten wurde bereits 2012 infrage gestellt, als er nach nur 20 Monaten im Amt ausschied. Jetzt wird kritisiert, dass seine Nebeneinkünfte nicht damit verrechnet werden. Ist die Altersregelung von Präsidenten großzügiger als bei anderen Amts- und Würdenträgern?

Woran nehmen Kritiker Anstoß?

Christian Wulff berät die türkische Modefirma Yargici, zeitweise war davon die Rede, dass er sogar ihr Prokurist sei. Allerdings: Schon im März 2014 eröffnete der Jurist eine Rechtsanwaltskanzlei in Hamburg. Der Job für die türkische Firma dürfte also nicht Wulffs erstes Extrageld gewesen sein. So berät Wulff auch ein Schweizer Immobilienunternehmen und war zeitweise als Gastprofessor tätig. Die Nebentätigkeiten sind übrigens ein Problem mit Ansage: Als er 2010 im Alter von 51 Jahren Präsident wurde, hat Wulff in einem ZDF-Interview erklärt, dass er auch nach seiner Amtszeit gern beruflich aktiv bleiben würde. Wulff selbst hat schon damals Korrekturen an den Ehrensold-Regelungen angemahnt. Passiert ist nichts.

Wie teuer ist die Versorgung?

Der Ehrensold beträgt 236 000 Euro im Jahr. Das ist gesetzlich geregelt, wird vom Präsidialamt genehmigt und aus seinem Etat ausgezahlt. Darüber hinaus gilt es als „bewährte Staatspraxis“, Bundespräsidenten zeitlebens ein Büro bereitzustellen, meist mit einem Büroleiter, Referenten, Sekretärin und Chauffeur. Über die Höhe entscheidet der Haushaltsausschuss. Es dürfte mehr als 200 000 Euro kosten.

Was ist das Besondere am Ehrensold?

Kein anderer Amtsträger, kein Minister oder Kanzler, erhält als Altersruhegeld 100 Prozent der geltenden Bezüge. Nebenjobs im öffentlichen Dienst werden bei Bundespräsidenten angerechnet, das schreibt Paragraf drei des Gesetzes vor, private Einkünfte nicht. Paragraf 4 regelt, dass die für die Bundesbeamten geltenden beihilfe- und versorgungsrechtlichen Vorschriften „sinngemäß anzuwenden“ wären. Ein Hebel, um Wulffs Einnahmen auf den Sold anzurechnen? Bislang unterbleibt das. Wulff hat kein Grund zur Klage, Dritte dürfen nicht vor Gericht ziehen. Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.

Wer könnte diese Praxis beenden?

Der Bundestag könnte das Gesetz ändern, damit Extragelder angerechnet werden oder auch, um in der Altersregelung erstmals einen Zusammenhang zwischen Amtszeit, Lebensalter und Versorgungsanspruch herzustellen. Das Problem stellt sich in dieser Schärfe zum ersten Mal mit Wulff. Seine Vorgänger waren deutlich älter, für sie kalkulierte man nur Repräsentationspflichten ein, daher der Ehrensold. Walter Scheel war der Jüngste in der „Ahnengalerie“, er schied mit 60 Jahren aus. Als Wulff in den Ruhestand ging, war er noch keine 53 Jahre alt. Bis 1953 betrug der Ehrensold 50 Prozent der Bezüge, erst 1959 wurde der Anspruch verdoppelt; wie es damals hieß, um Kanzler Konrad Adenauer (CDU) eine Kandidatur schmackhaft zu machen. Die Mühe war vergeblich, Adenauer wollte doch lieber Kanzler bleiben.

Gibt es Reformvorschläge?

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, setzt bei der Höhe des Ehrensolds an. „Eine 100-prozentige Alimentierung ist nicht mehr zeitgemäß und nicht länger akzeptabel“, sagte er unserer Zeitung. Stattdessen müsse über eine angemessene Bezugsgröße diskutiert werden, die sowohl die Amtsausstattung als auch den Dienstwagen einbezieht, so Holznagel weiter. Diese notwendige Reform des Ehrensolds gehöre für ihn zu einem Bündel an Reformen, die der Bundestag „schnellstmöglich“ angehen müsse.

Hat jemals ein Bundespräsident auf den Ehrensold verzichtet?

Ja, Horst Köhler. Allerdings hatte er viele andere Pensionsansprüche aus Tätigkeiten als Staatssekretär, Präsident des Sparkassenverbands und als Chef des Internationalen Währungsfonds. Ehrensold beziehen nur Wulff und Joachim Gauck.

Wie sind die Pensionen der Abgeordneten im Bundestag geregelt?

Abgeordnete erhalten maximal 67,5 Prozent ihrer Diäten – diesen Höchstanspruch erreichen sie freilich erst nach 27 Mitgliedsjahren im Bundestag. Ausgezahlt werden die Pensionen mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres. Die Altersgrenze wird stufenweise auf 67 erhöht. Nebentätigkeiten sind erlaubt, werden bis zum Eintritt des Rentenalters angerechnet, danach nicht mehr. Die Grünen fordern eine Reform der Abgeordneten-Pensionen. „Mit den Sonderrechten für Politiker bei der Altersversorgung muss es vorbei sein“, sagte die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. „Auch Abgeordnete und staatliche Amtsträger sollten in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen.“ Dann bekämen sie später eine ganz normale Rente. Die Rentenversicherung müsse zu einer Bürgerversicherung für alle Menschen werden. So hätten alle Bürger eine gute Altersversorgung.

Wie ist die Altersversorgung der Bürgermeister geregelt?

Hauptamtliche Bürgermeister bekommen nach ihrer Amtszeit ein Übergangsgeld und im Ruhestand ein Ruhegehalt. Die Voraussetzungen sind in den Bundesländern unterschiedlich. Einige zahlen als Ruhegehalt 35 Prozent der letzten Bezüge, andere bis zu 71,75 Prozent. Überall gilt: Ein Bürgermeister, der nach seiner Amtszeit im öffentlichen Dienst oder in der Wirtschaft arbeitet, bekommt das Ruhegehalt/Übergangsgeld ganz oder teilweise auf sein Einkommen angerechnet. Nach Erreichen der Altersgrenze werden Einnahmen nicht mehr mit staatlichen Bezügen verrechnet.

Wie ist es bei Beamten?

Beamte bekommen eine Pension, wenn sie die gesetzliche Altersgrenze erreicht haben. Wer 40 Jahre im öffentlichen Dienst tätig war, bekommt maximal 71,75 Prozent seiner vorherigen Bezüge. Wer ab 63 Jahren früher aufhört zu arbeiten, bekommt die Pension anteilig gekürzt. Für weitere Einkommen gelten strenge Regeln: Pensionäre, die zusätzlich eine Rente beziehen, bekommen ihre Bezüge entsprechend gekürzt. Auch Frühpensionäre, die nebenher arbeiten, dürfen nur bis maximal 100 Prozent ihres letzten Gehalts hinzuverdienen. Anders ist es nach Überschreiten der gesetzlichen Altersgrenze: In der Wirtschaft können Pensionäre dann unbegrenzt hinzuverdienen. Im öffentlichen Dienst können sie mit der Pension wieder nur maximal 100 Prozent ihres letzten Gehalts bekommen.

Und bei Ministern?

Wer zwei Jahre lang als Minister der Bundesregierung angehört hat, erhält später ein Ruhegehalt. Bis zu einer Amtszeit von vier Jahren beträgt es 28 Prozent des vorherigen Ministergehalts, mit jedem weiteren Jahr steigt der Anspruch um 2,4 Prozentpunkte auf höchstens 71,75 Prozent. Das Ruhegehalt wird gezahlt, sobald das Regeleintrittsalter für Beamte erreicht ist. Arbeitet der Ex-Minister in der Privatwirtschaft, werden die Einnahmen mit dem Ruhegehalt verrechnet.