Berlin. Eine neue Prognose der Bundesregierung zeigt: Ohne grundlegende Reform wird das Rentenniveau bis ins Jahr 2045 dramatisch absinken.

Mit alarmierenden Prognosen zur langfristigen Entwicklung der gesetzlichen Rente befeuert die Bundesregierung die Reformdebatte über die künftige Alterssicherung: Ohne politische Eingriffe würde das Niveau der gesetzlichen Rente innerhalb der nächsten drei Jahrzehnte deutlich sinken, ergab eine am Mittwoch bekannt gewordene Berechnung des Bundessozialministeriums.

Das Rentenniveau würde von heute rund 48 Prozent des Durchschnittseinkommens auf nur noch 41,8 Prozent im Jahr 2045 sinken. Der Beitragssatz würde dennoch von heute 18,7 auf 23,4 Prozent steigen. Immer weniger Rente für immer höhere Beiträge: Es ist die erste offizielle Berechnung der Entwicklung über das Jahr 2030 hinaus – sie soll Grundlage sein für ein umfassendes Reformkonzept, das Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) Ende November vorlegen will.

Nahles sieht Handlungsbedarf und bremst DGB

Schon jetzt ist klar: Die Ministerin sieht nach anfänglichem Zögern nun doch dringenden Handlungsbedarf auch bei der gesetzlichen Rente. „Wir dürfen das Rentenniveau nicht ungebremst fallen lassen“, hieß es am Mittwoch in Regierungskreisen. Das Abrutschen des Niveaus untergrabe das Vertrauen in die gesetzliche Rente. Der DGB rechnete umgehend aus: Nach heutigen Werten würde ein Durchschnittsverdiener nach 45 Beitragsjahren im Jahr 2045 eine Rente von nur noch 1.059 Euro monatlich erhalten. Nahles will nun eine gesetzliche „Haltelinie“ einziehen, lässt bislang aber offen, wo sie liegen soll.

Nach heutiger Rechtslage darf das Rentenniveau bis 2030 nicht unter 43 Prozent sinken – für die Zeit danach gibt es keine Begrenzung. Regierungskreise machen bereits deutlich, dass die Forderung etwa des DGB nach einer Stabilisierung des Rentenniveaus auf heutiger Höhe aus Sicht von Nahles kaum bezahlbar ist: Dies würde im Jahr rund 40 Milliarden Euro zusätzlich kosten, hieß es unter Verweis auf die neuen Berechnungen. Der Beitragssatz würde demnach von 18,7 auf 26,4 Prozent klettern.

Riester-Rente per Gesetz aufwerten

Sozialpolitiker der Union sprechen sich für ein Rentenniveau von 45 Prozent aus, ähnliche Überlegungen gibt es in der SPD – angestoßen von Parteichef Sigmar Gabriel. Nahles setzt allerdings weiter darauf, die Alterssicherung auch auf die Riester-Rente und die betriebliche Altersvorsorge zu stützen: Sie sollen mit Gesetzesänderungen attraktiver werden. Am Dienstag hatten sich Nahles und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Grundsatz auf neue Anreize für Betriebsrenten verständigt.

Nach Angaben aus Regierungskreisen ist der Anteil der Beschäftigten die einen Betriebsrentenanspruch haben, von 59 Prozent 2013 auf 57 Prozent im Jahr 2015 gesunken. Knapp zwei Millionen Arbeitnehmer mit Einkommen unter 1500 Euro haben demnach weder einen Riester-Vertrag noch Betriebsrentenansprüche. Für solche Gruppen müsse es zielgenaue Lösungen geben.

Arbeitgeber mahnen

Dass die Pläne für die Sicherung der gesetzlichen Rente noch vor der Bundestagswahl umgesetzt werden, ist indes unwahrscheinlich. Die Arbeitgeberverbände warnten bereits vor einer Überforderung von Beschäftigten und Unternehmen. Der Sozialverband VdK forderte dagegen, das Rentenniveau müsse zunächst stabilisiert und danach auf 50 Prozent angehoben werden.