Berlin. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery fordert gleiche medizinische Leistungen wie bei Kassenpatienten.

Sie waren lange zu Fuß unterwegs, haben im Freien übernachtet und dabei nicht immer saubere Lebensmittel bekommen: Viele Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind, wurden unterwegs krank. Sie haben Magen-Darm-Infektionen mitgebracht, manche haben sich mit Tuberkulose- oder Hepatitis-Viren infiziert. „Fluchtbedingte Erkrankungen“ nennt das Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer. Das sei aber nichts, was eine Gesundheitsgefahr für die hiesige Bevölkerung darstelle.

„Die meisten Flüchtlinge sind gesunde, junge Menschen“, sagt Montgomery. Die medizinische Versorgung funktioniere wegen des großen ehrenamtlichen Engagements von Ärzten sehr gut.

Was den Ärzten Sorgen bereitet, ist etwas anderes: Bei der Behandlung der schweren Fälle stoßen sie immer wieder an rechtliche Grenzen. Denn Flüchtlinge bekommen geringere medizinische Leistungen als Deutsche. Bis zu 15 Monate, in jedem Fall aber so lange, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist, sind sie Patienten zweiter Klasse. Der oberste Ärztefunktionär will deshalb das Asylbewerberleistungsgesetz, in dem die Regelungen stehen, ändern lassen: „Die einschränkenden Paragrafen müssen aufgehoben werden.“ Das wollen die Ärzte nächste Woche auf dem Ärztetag in Hamburg beschließen. Montgomery geht sogar noch weiter: Asylsuchende und Flüchtlinge brauchten eine Gesundheitskarte wie jeder Kassenpatient. Sie sollten in das normale Gesundheitssystem eingegliedert werden, so wie jeder kranke Deutsche auch. Städte und Gemeinden sollten mit den Krankenkassen entsprechende Verträge schließen. Reguläre Kassenleistungen für Flüchtlinge – für die Kommunen ist das ein rotes Tuch. Die Städte und Gemeinden sind es, die die Arztbesuche der Asylbewerber bislang bezahlen. Es geht also ums Geld, aber auch ums Prinzip: Der Anreiz, nach Deutschland zu kommen, um sich hier medizinisch behandeln zu lassen, soll möglichst gering sein. Das ist die Idee hinter der sparsamen Versorgung für Flüchtlinge. Akute Erkrankungen und Schmerzen sollen behandelt werden, auch Impfungen sind möglich. Mehr aber nicht. Bis jetzt können Asylbewerber deshalb nicht einfach zum Arzt gehen. In den meisten Bundesländern müssen sie beim örtlichen Sozialamt um Erlaubnis fragen. In fast jedem Bundesland aber gibt es eine andere Regelung.

„Wenn dieser Flickenteppich verschwinden soll, müssen der Bund und die Länder die Gesundheitskarte flächendeckend einführen und komplett die Kosten dafür übernehmen“, fordert Uwe Lübking, Sozialexperte des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. So lange das nicht geschieht, lehne ein Großteil der Kommunen die Gesundheitskarte ab. Die Missbrauchsgefahr sei groß und niemand kontrolliere, ob Asylbewerber nicht doch mehr Leistungen bekämen als ihnen zustehen. Und wenn die Asylverfahren kürzer würden, dann müsse man die Karte sofort wieder sperren lassen.

Krankenkassen unterstützen den Vorstoß der Ärzte

Unterstützung bekommen die Ärzte von den Krankenkassen. Der Verwaltungsrat ihres obersten Verbands fordert: „Die nach Deutschland geflüchteten Menschen haben Anspruch auf eine angemessene gesundheitliche Versorgung.“ Es müsse „bundesweit den gleichen Zugang zu den erforderlichen Leistungen“ geben. Ein Sprecher verweist auf die bisher zwischen Ländern und Kassen geschlossenen Vereinbarungen: Diese zielten auf das normale Versorgungsniveau von Kassenpatienten. Es Flüchtlingen zu gewähren, sei „nicht nur pragmatisch, sondern auch nachvollziehbar.“