Berlin. Merkels Kanzlerschaft hängt wohl von der Bewältigung der Flüchtlingskrise ab. Via Fernsehen versucht sie, ihre Politik zu erklären - die vielen Angst macht. In zwei Wochen sind wichtigen Wahlen.

Jammerei von Politikern kann Angela Merkel nicht leiden. Auch nicht in schwierigster Zeit wie jetzt in der Flüchtlingskrise. Die Kanzlerin sitzt hochkonzentriert in der Sendung der ARD-Moderatorin Anne Will und versucht am Sonntagabend, einem Millionen-Publikum ihre Politik zu erklären. Politiker, die vor allem über das Scheitern sprechen, haben ihrer Ansicht nach den Beruf verfehlt. So ballt sie die Hand zur Faust und spricht etwas lauter: „Man ist nicht Politiker, dass man die Welt beschreibt und sie katastrophal findet.“ Manchmal sei sie auch verzweifelt, räumt sie ein. Aber dann versuche sie, etwas Vernünftiges daraus zu machen.

Merkel bemüht sich, die Sorgen der Menschen vor Überforderung Deutschlands mit der Aufnahme von Flüchtlingen aufzugreifen und zu beruhigen. Sie glaube, dass viele Menschen, ihr Bemühen um eine europäische Lösung für vernünftig hielten - „aber viele noch nicht daran glauben“. Und dann pocht sie wieder auf ihren Weg: „Meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit besteht darin, dass dieses Europa einen gemeinsamen Weg findet.“

Merkel war schon vor knapp fünf Monaten bei Anne Will. In der Zwischenzeit ging sie einmal zum ZDF, Mitte November, in die Sendung „Was nun, Frau Merkel“. Drei solch große TV-Auftritte in nicht einmal einem halben Jahr sind viel für die Kanzlerin. Sehr viel. Das zeigt, wie sehr sie in der Flüchtlingskrise unter Druck steht.

Sie nutzt das Medium Fernsehen, um so vielen Menschen wie möglich ihre Politik zu erklären. In zwei Wochen sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Die Umfrage- Ergebnisse für Merkels CDU sinken. Der Wahltag gilt als Gradmesser für die Stimmung im ganzen Land.

Mit keinem anderen Format erreicht sie direkt ein so großes Publikum. Mit keiner Regierungserklärung im Bundestag, die in der Regel nicht länger als 30 Minuten dauert und in Gänze wohl nur wenige Bürger erreicht, kommt die CDU-Vorsitzende so nah an die Bevölkerung heran. Und nirgendwo sonst können Millionen von Menschen die Regierungschefin in einem einstündigen Gespräch erleben, in dem sie in Ruhe sprechen kann, aber auch kritische Fragen beantworten muss.

Am 7. Oktober hatte Merkel bei Will gesagt, sie habe einen Plan. Schon damals hatte sie erklärt, dass sie gegen eine Obergrenze ist, weil das inhuman und rechtswidrig sei. Sie hatte gesagt, dass Kommunen geholfen werden müsse, den Andrang der Hilfesuchenden zu bewältigen. Dass der Zuzug geordnet und gesteuert werden und die Lasten in Europa solidarischer geteilt werden müssten.

Doch Gemeinden, Helfer, Sicherheitskräfte haben nicht weniger Arbeit und Sorgen als vor fünf Monaten. Und auf europäischer Ebene hat sich in Sachen Lastenverteilung gar nichts bewegt. Osteuropäische Länder wehren sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, Österreich hat Tageskontingente eingeführt, nun „stauen“ sich Flüchtlinge in Griechenland, das nicht weiß, wie es beides zeitgleich bewältigen soll: Flüchtlingskrise und Finanzkrise. Merkel, die Athen in der Schuldenkrise massiv unter Druck gesetzt hatte, mahnt jetzt: „Dieses Land können wir doch jetzt nicht im Stich lassen.“

Am Sonntagabend fragt Anne Will Merkel, ob sie einen Plan B habe: „Nein, ich habe ihn nicht. Ich habe einen anderen.“ Sie bleibt dabei: Keine Obergrenze, Zuzug ordnen und steuern, europäische Lösung suchen. Merkel hofft nun auf den zweiten EU-Türkei-Sondergipfel am 7. März. Ein Woche vor den Landtagswahlen. Will fragt, ob Merkel persönliche Konsequenzen ziehe, wenn der Gipfel schiefgehe. „Nein“, antwortet Merkel blitzschnell. „Dann muss ich ja weiter machen.“ Sie betont das Muss. Wenn es in einer Woche nichts werde, gebe es den nächsten Gipfel. dpa

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