Dresden. Die Protestbewegung „Pegida“ hat Angst vor einer Überfremdung in Deutschland und vielem mehr. Die Sorgen der Anhänger sind mitunter diffus. Und ihr Umgangston wird zunehmend rauer.

Weihnachtslieder und ein Fahnenmeer aus Schwarz- Rot-Gold. Was kaum zusammenpasst, fügt sich in Dresden harmonisch zusammen. Kurz vor dem Fest der Liebe mobilisiert die hier entstandene Protestbewegung „Pegida“ am Montag erneut Tausende Menschen. Deutlich hat sich der Ton in den letzten Wochen verschärft.

Üble Verunglimpfung ist inzwischen hoffähig und wird von der Menge begeistert beklatscht. Medienvertreter heißt man mit dem tausendfach skandierten Ruf „Lügenpresse“ willkommen. Die Demonstranten kommen teils von weither angereist, aus Rostock, Hof oder Berlin. „Pegida“ hat vor der Semperoper zum gemeinsamen Singen von Weihnachtsliedern eingeladen. Am Ende wird mehr geredet.

Seit zehn Wochen machen die selbsternannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ in Dresden jeden Montag mobil, um gegen eine angebliche Überfremdung des Abendlandes auf die Straße zu gehen. 19 Positionen hat die „Pegida“ veröffentlicht. Vieles klingt diffus. Im Kern geht es um Asylpolitik. Die Forderungen stammen aus den Reihen des zwölfköpfigen Organisationsteams, vielleicht hat sie auch „Pegida“-Erfinder Lutz Bachmann persönlich in die Welt gesetzt.

Redner melden sich von einem Lautsprecherwagen. Den meisten Beifall gibt es, wenn Ängste eine Rolle spielen - zum Beispiel vor kriminellen Ausländern, die sich sogar noch über die Qualität der Speisen in Asylunterkünften beschweren.

Dabei sehen sich die Organisatoren explizit der „christlich-jüdischen Abendlandkultur“ verpflichtet. Doch Nächstenliebe will nicht so recht zu den sonstigen Forderungen der „Patriotischen Europäer“ passen. Denn im Kern geht es den „Pegida“-Leuten um die Verschärfung des Asylrechtes. Die Angst vor angeblicher Überfremdung tritt in vielen Facetten zutage. Ein „Straßenbild mit verhüllten Frauen passt nicht zu dem, was er sich von Mitteleuropa vorstelle“, sagt ein Redner am Montag und bekommt dafür Applaus. Schnell ist man dabei, Ausländer als potenzielle Kriminelle abzustempeln. „Ali Baba und die 40 Dealer“ heißt es auf einem Plakat der „Pegida“-Anhänger.

Auffallend ist an diesem Montag, dass die Stimmung immer aggressiver ist. Einst skandierten die „Pegida“-Leute den zur Wendezeit geborenen Ruf „Wir sind das Volk“. Inzwischen werden Politiker als „Volksverräter“ gebrandmarkt. Ein aus Leipzig Angereister beschimpft eine sächsische Landtagsabgeordnete vulgär-sexistisch - er wird dafür bejubelt. „Pegida“-Chef Bachmann entschuldigt sich im Anschluss zwar für den „harten“ Ton - findet dann aber doch, dass der Mann ja nicht unrecht habe. Auch der Thüringer SPD-Politiker Christoph Matschie wird attackiert. Sein Nachname sei Ausdruck für seine Gehirnmasse. Die Menge jubelt erneut.

Als die Semperoper aus Protest gegen Demonstranten ihre Außenbeleuchtung und den Weihnachtsbaum ausschaltet und das Bündnis „Dresden für alle“ mit einer Videoprojektion auf der Fassade von Oper und Sempergalerie für eine weltoffene Gesellschaft wirbt, ist es mit der von „Pegida“ eingeforderten Meinungsfreiheit vorbei. Immer wieder versuchen Anhänger, sich mit Fahnen vor den Beamer zu stellen. Die Semperoper hat am Montag die passende Inszenierung im Programm: In Engelbert Humperdincks Oper „Königskinder“ geht es um Ausgrenzung. dpa

NIMMT DEUTSCHLAND IN DER EU DIE MEISTEN FLÜCHTLINGE AUF?

Unionspolitiker beklagen, in der EU verteile sich die große Mehrheit der Flüchtlinge auf Deutschland und wenige weitere Staaten. Stimmt das?

Knapp 177 000 Flüchtlinge haben im dritten Quartal 2014 in den 28 EU-Staaten um Asyl gebeten. Davon meldete sich der Löwenanteil – nämlich 56 100 oder rund ein Drittel – in Deutschland, wie die Statistikbehörde Eurostat berichtet. Damit steht die Bundesrepublik EU-weit an der Spitze. Den zweiten Platz belegt Schweden mit 28 200, gefolgt von Italien mit 18 050 und Frankreich mit 14 700 Bewerbern.

Aussagekräftiger ist es aus Sicht vieler Experten aber, die Asylbewerberzahlen ins Verhältnis zur Einwohnerzahl zu setzen. Den höchsten Flüchtlingsanteil hat laut Eurostat aktuell Schweden. Hier wurden von Juli bis September 2925 Bewerber pro Million Einwohner gezählt. Deutlich dahinter rangieren Dänemark (1260), Malta (970), Österreich (915) sowie Ungarn (880) und Deutschland (695). dpa