Berlin. Gauck hat aus seinen Vorbehalten gegen die russische Führung nie einen Hehl gemacht. Was meinen Sie dazu?

Mit seinem scharfen Angriff auf den russischen Präsidenten am Jahrestag des Weltkriegsausbruchs hat Bundespräsident Joachim Gauck Anhänger und Kritiker überrascht. Während Linkspartei-Chef Bernd Riexinger Gauck kritisierte, stellten sich Koalitionspolitiker eher pflichtschuldig hinter den Präsidenten.

Die designierte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini indes lobte ihn für seine klaren Worte: Gauck habe recht, von einer Partnerschaft mit Russland könne man derzeit nicht sprechen.

Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter bezeichnete Gauck als eine „markante Stimme der Freiheit“. Gauck fühle sich als Anwalt der Stimmungslage in den osteuropäischen Ländern. Doch der CDU-Politiker betonte auch: „Wir dürfen Putin nicht auf den Leim gehen und versuchen, militärische Lösungen herbeizuführen.“

SPD-Vize Ralf Stegner nannte Riexingers Vorwürfe überzogen – hinter die Präsidentenworte stellte er sich nicht. Offiziell hielten sich Koalitionäre an die Devise, Präsidentenreden nicht zu kommentieren. Schließlich sei Gaucks Haltung zu Russland ja nicht neu, hieß es.

Immer wieder hat Gauck, dessen Vater einige Jahre in sowjetischer Lagerhaft saß, Russland wegen Menschenrechtsverletzungen kritisiert. Er schlug eine Einladung zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi aus. In diesem Jahr würdigt der frühere Rostocker Pfarrer mit Reisen in die osteuropäischen Staaten die Freiheitsbewegungen, die 1989 zum Ende des Kalten Krieges führten – deshalb schmerzt ihn das neue Bedrohungsgefühl in Osteuropa besonders.

Dass ein Teil der Deutschen seine Position nicht teilt, weiß Gauck: Das verbreitete Verständnis für Putin wundere ihn, hat er kürzlich erklärt. Dass sich die Bundesregierung im Ukrainekonflikt früh diplomatisch eingeschaltet hat, lobt Gauck aber ausdrücklich – auch Merkels Ansatz, den Gesprächsfaden zu Putin trotz aller Desillusionierung nicht abreißen zu lassen. Das ist wohl die außenpolitische Arbeitsteilung: Während der Präsident zu drastischen Worten greift, ist die Bundesregierung in der praktischen Politik bemüht, jede kleine Chance zur Deeskalation zu nutzen und Brücken zu bauen.

Unmittelbar vor dem Nato-Gipfel am Donnerstag und Freitag, der auch über die Strategie gegenüber Russland berät, warnten Koalitionspolitiker vor einem Konfrontationskurs der Nato. „Wir müssen alles dafür tun, weiter zu deeskalieren“, mahnte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

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