Barcelona. Will Kataloniens Separatistenchef, Carles Puigdemont, in Belgien Asyl beantragen? In Spanien droht ihm nach der Anklageerhebung wegen Rebellion die Festnahme. Auch 13 seiner Ex-Minister könnten wegen des gleichen Delikts angeklagt werden.

Am Morgen hatte Kataloniens abgesetzter Ministerpräsident Carles Puigdemont noch den Anschein erweckt, als ob er sich in seiner Residenz im Regierungspalast in Barcelona aufhält. Er veröffentlichte im sozialen Netzwerk Instagram ein Foto, das den Blick aus seinem Palais auf Dachgiebel und den blauen Himmel zeigte. „Bon dia“ (Guten Tag) stand auf Katalanisch darunter. Ein Ablenkungsmanöver. Inzwischen weiß man, das dieses Foto älteren Datums ist und sich Puigdemont zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon nicht mehr in seinen Amtsräumen befand.

Am Montagnachmittag wurde bekannt, dass Puigdemont offenbar in der Nacht zum Montag nach Brüssel reiste. Möglicherweise um in Belgien politisches Asyl zu beantragen, wie die in Barcelona erscheinende Zeitung „El Periódico“ berichtete. Es ist wohl kein Zufall, dass dies nur Stunden vor einer Klageerhebung des spanischen Generalstaatsanwalts geschah. Spaniens oberster Ankläger, José Manuel Maza, beschuldigt Puigdemont am Montagvormittag der Rebellion gegen den Staat, der Anstiftung eines Aufstandes und der Veruntreuung öffentlicher Gelder. Angesichts der massiven Vorwürfe muss Puigdemont mit seiner Festnahme rechnen.

Der von Spaniens Regierung nach fortgesetzten Rechtsbrüchen abgesetzte Ministerpräsident soll nicht alleine nach Belgien gereist sein. Angeblich wird er von wenigstens fünf seiner früheren Kabinettsmitglieder begleitet. Die Staatsanwaltschaft leitete auch gegen alle früheren Minister Puigdemonts Klage ein.

Beschuldigte sollen schnellstens vor Gericht gestellt werden

Am Wochenende hatte Puigdemont noch so getan, als wäre er weiterhin im Amt, und als wolle er seine Absetzung nicht akzeptieren. Er forderte von seiner Heimatstadt Girona aus per TV-Ansprache seine Anhänger auf, die am Freitag ausgerufene „katalanische Republik“ mit „demokratischer Opposition“ zu verteidigen. Girona liegt rund 60 Kilometer südlich der französischen Grenze. Nach Frankreich ist es ein Katzensprung und in die belgische Hauptstadt Brüssel sind es rund 1250 Kilometer.

Am Wochenende kamen die ersten Gerüchte auf, dass Puigdemont möglicherweise mit einer Flucht nach Belgien spiele, um Spaniens Strafverfolgungsbehörden zu entgehen. Belgiens Staatssekretär für Immigration, Theo Francken, hatte am Sonntag überraschend erklärt, es sei nicht auszuschließen, dass sein Land der entmachteten katalanischen Regionalregierung Asyl gewähren könnte. Francken gehört der Neu-Flämischen Allianz (NVA) an, die sich für die Unabhängigkeit der Region Flanderns von Belgien einsetzt. Die NVA sympathisiert mit der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.

Belgiens Ministerpräsident Charles Michel gab sich nach Franckens Vorstoß zurückhaltend und sagte, ein mögliches Asyl für Puigdemont stehe derzeit „nicht auf der Tagesordnung“. Er forderte Francken auf, „kein Öl ins Feuer zu gießen“. Die nächsten Tage werden zeigen, wie ernst dies gemeint war. Tatsache ist jedenfalls, dass Belgien als eines der wenigen EU-Mitgliedsländer gilt, in dem andere EU-Bürger Asyl beantragen können.

Nach der Klageerhebung des spanischen Generalstaatsanwalts wird die Luft für Puigdemont in Spanien zweifellos immer dünner. Neben Puigdemont werden auch seine 13 Ex-Minister, mit denen er den unilateralen Unabhängigkeitsprozess vorangetrieben hat, der gleichen schweren Delikte beschuldigt. Die Klage wurde beim Nationalen Gerichtshof in Madrid eingereicht, der für Terrorismus und andere schwere Straftaten zuständig ist.

Puigdemont wird unter anderem vorgeworfen, mit der Organisation des illegalen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober ein Verbot des Verfassungsgerichtes ignoriert zu haben, das diese Abstimmung suspendiert hatte. Spaniens Verfassung erlaubt keine Abspaltung einer Region. Zudem habe er die Unabhängigkeitsbewegung „zum Aufstand aufgerufen“, um mithilfe der Mobilisierung seiner Anhänger das illegale Referendum wie auch den weiteren unilateralen Unabhängigkeitsprozess durchsetzen zu können.

Eine zweite Klage mit ähnlichen Vorwürfen wurde vor dem Obersten Gerichtshof gegen das frühere Präsidium des inzwischen aufgelösten Regionalparlaments erhoben. Der Gerichtshof ist für die Anklage von Politikern zuständig, die parlamentarische Immunität besitzen. Die sechs Mitglieder des Präsidiums werden dafür verantwortlich gemacht, dass die illegale Unabhängigkeitserklärung am vergangenen Freitag auf die Tagesordnung kam und dann mit der knappen Mehrheit der Separatisten verabschiedet worden war.

Generalstaatsanwalt Maza beantragte, dass alle Beschuldigten „schnellstens“ vom Gericht vorgeladen werden, was somit schon in Kürze geschehen könnte. Maza schloss nicht aus, dass dann „wegen der Schwere der Vorwürfe“ vom Untersuchungsrichter Auflagen verhängt werden, die vom Entzug des Reisepasses bis zur Untersuchungshaft reichen können. Sollten die Beschuldigten der Vorladung nicht nachkommen, müssen sie mit ihrer sofortigen Verhaftung rechnen.

Der Chefankläger beantragte zudem, dass jeder der insgesamt 20 Beschuldigten eine Kaution von 300 000 Euro hinterlegen muss, um mutmaßliche finanzielle Schäden wieder gut zu machen. Beim von ihm ebenfalls erhobenen Vorwurf der Veruntreuung geht es um die Verwendung öffentlicher Gelder für die Vorbereitung des verfassungswidrigen Referendums am 1. Oktober und für die weitere Planung des Abspaltungsprozesses. Bereits seit Mitte Oktober sitzen zwei prominente Führer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, die beiden Aktivisten Jordi Sánchez und Jordi Cuixart, wegen des Vorwurfs des „aufrührerischen Verhaltens“ in Untersuchungshaft.