Berlin. Die Union will die Niederlage in Niedersachsen schnell abhaken.

Nur knapp zwei Minuten räumt Angela Merkel der heftigen Wahlniederlage von Niedersachsen ein. Die CDU-Chefin gratuliert gestern SPD-Sieger Stephan Weil und dankt ihrem niedersächsischen Spitzenkandidaten Bernd Althusmann. Man habe das Wahlziel, stärkste Kraft zu sein, nicht erreicht, aber es immerhin geschafft, dass die rot-grüne Regierung in Niedersachsen abgewählt sei. Es habe eben eine „Zufriedenheit mit der Landespolitik“ von SPD-Ministerpräsident Weil
gegeben. Dann leitet Merkel bereits zur Wahl in Österreich und dem Wahlsieg von Sebastian Kurz und seiner ÖVP über. Ende der Analyse.

Dabei hat die CDU am Sonntag in Niedersachsen erstmals seit
19 Jahren ihre Position als stärkste Partei verloren. Noch im August schien laut Umfrage ein Sieg zum Greifen nah. Vielleicht habe man sich da einer „gefährlichen Täuschung“ hingegeben, bilanziert selbstkritisch Althusmann, der nun zumindest auf eine Große
Koalition in Niedersachsen hoffen kann.Doch damit beschäftigt sich Merkel gar nicht länger. Der CDU-Vorsitzenden ist daran gelegen, möglichst schnell über Niedersachsen hinwegzugehen. Sie will die interne und auch die öffentliche Debatte über den Kurs der CDU und mögliche Schuldzuweisungen in ihre Richtung unbedingt vermeiden. Zumindest im Vorstand war sie damit erfolgreich: „Merkel sprach, dann gab es wie immer direkt Essen“, sagt einer der Teilnehmer über die inhaltliche Aufarbeitung.

Merkel will und muss auf Bundesebene die schwierige Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen zusammenstellen – denn vom Erfolg oder Misserfolg von Jamaika hängt auch ihre politische Zukunft ab. Die 63-Jährige demonstriert daher Selbstbewusstsein und weist jegliche Schwäche von sich: „Wir gehen als Union in diese Sondierung mit dem Selbstverständnis, dass wir die stärkste Kraft sind, dass wir fair mit allen verhandeln wollen.“ Es gehe bei den Gesprächen mit Grünen und FDP ab Mittwoch nicht um ein „politisches Kennenlernprogramm“, sondern um Inhalte.

Als wichtige Themen für die Union nennt Merkel soziale Sicherungssysteme, Digitalisierung, ländliche Räume, bezahlbare Wohnungen in Großstädten und innere Sicherheit. Das ist inhaltlich vage, und das soll es auch sein. „Wir fangen jetzt nicht mit irgendwelchen roten Linien an“, gibt sie als Losung aus.

Eine Szene am Rande der Vorstandssitzung fällt auf: Die beiden Merkel-Kritiker, Finanzstaatssekretär Jens Spahn und der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, führen ein Zwiegespräch – an der Balustrade über den Köpfen der Journalisten. Das Signal: Die beiden Verfechter eines konservativeren Kurses der CDU haben durchaus Gesprächsbedarf – und jeder soll es sehen. Spahn hatte noch in der Nacht direkt von der ÖVP-Siegesfeier in Wien ein Foto getwittert. Es zeigt ihn strahlend an der Seite von Kurz. Dem 31-Jährigen, der sich als Außenminister und im Wahlkampf mit markigen Anti-Migranten-Sprüchen hervorgetan hat.

Und auch in München ist man nicht entspannt. Dort wertet CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt das Niedersachsen-Ergebnis als „Warnsignal“ für die gesamte Union. „Zumindest dem Wähler in Niedersachsen war das jetzt keine so verheißungsvolle Zukunft, dass die Jamaika-Sondierungen gerade stattfinden“, erklärt der Bayer.

Für die CSU ist der Erfolg von Kurz an ihrer Landesgrenze ein Beleg dafür, dass die Unionswähler sich ein konservativeres Profil wünschen – das man in Verhandlungen nicht aufgeben dürfe. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer verbindet die Gratulation an den Österreicher quasi mit einem Schulterschluss: Man werde künftig „mehr inhaltliche Schnittmengen und Gemeinsamkeiten haben“ bei der Zuwanderung und auch in europäischen Fragen.