Paris. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve wird der Nachfolger von Premier Manuel Valls. Hollande ernannte ihn zum Regierungschef.

Spöttisch kommentieren Abgeordnete der bürgerlichen Opposition den Wechsel an Frankreichs Regierungsspitze. „Der Kapitän der Titanic hat einen neuen ersten Offizier ernannt, der jetzt die Rettungsboote zu Wasser lassen darf“, sagte ein Abgeordneter, der seinen Namen nicht genannt wissen möchte, über „Hollandes letztes Aufgebot“.

Zuvor hatte Staatschef François Hollande den sozialistischen Innenminister Bernard Cazeneuve zum Regierungschef ernannt. Der Wechsel war nötig geworden, weil Premier Manuel Valls am Montag zurücktrat, um sich als Präsidentschaftskandidat in den Wahlkampf zu stürzen.

Wie erwartet berief Hollande am Dienstag seine „Allzweckwaffe“, den sturmerprobten Cazeneuve an die Spitze der Regierung. Der 53-Jährige stand im Kampf gegen den islamistischen Terror am vorderster Front. Doch abgesehen von der Ernennung des bisherigen Fraktionschefs der Sozialisten, Bruno Le Roux, zu Cazeneuves Nachfolger im Innenministerium, nahm Hollande keine weiteren Änderungen im Kabinett vor.

Hollande will Mandat mit vollem Engagement ausüben

Die sozialistischen Regierungskreise Frankreichs hat seit Hollandes einmaligen Kandidaturverzichts für eine zweite Amtszeit Untergangsstimmung erfasst. „Wir haben jetzt einen Präsidenten auf Abruf und einen Premier, der sich in erster Linie mit der Renovierung seines Wochenendhäuschens beschäftigen wird“, unkte nun selbst der Kabinettschef. Tatsächlich hat Cazeneuve schon vor Monatsfrist angekündigt, dass er sich nach den Präsidentschaftswahlen im Mai 2017 aus der Politik zurückziehen werde.

Staatschef Hollande hat zwar versprochen, sein Mandat „bis zur letzten Minute“ mit vollem Engagement auszuüben. Doch was er damit meinte, ließ er ebenfalls durchblicken: Den Schutz seiner Mitbürger angesichts der nach wie vor sehr hoch eingestuften Attentatsgefahr. Mit anderen Worten: Außer der erneuten Verlängerung des Ausnahmezustands kurz vor Weihnachten, will sich der Präsident auf die Erledigung der laufenden Amtsgeschäfte beschränken.

Cazeneuve hat nur fünf Monate vor sich

Demnach dürfte sich Cazeneuves Regierungsauftrag also darauf beschränken, den Knopf für den Autopiloten zu drücken. Zumal der neue Premier von vornherein weiß, dass er nur fünf Monate vor sich hat und somit den bisherigen Kurzzeitrekord der glücklosen Edith Cresson unterbieten wird, die 1992 nur zehn Monate nach ihrer Ernennung zur Ministerpräsidentin die Segel streichen musste.

Cazeneuve war zweieinhalb Jahre lang Innenminister und stand wegen der Terrorserie in Frankreich besonders im Rampenlicht. Er vertritt eine harte Linie gegen Gewalttäter und Terroristen. Zuletzt war er mit massiven Protesten von Polizisten konfrontiert, die brutale Übergriffe gegen Ordnungshüter beklagen. Der frühere Anwalt und Richter ist alles andere als ein lockerer Typ. Er präsentiert sich stets korrekt gekleidet. Seine Sprache ist klar, geschliffen und schnörkellos.

Cazeneuve gilt als einer der seriösesten Politiker seiner Partei

Über wohlfeilem Spott über die von ihm unverschuldete Situation hinaus stieß Cazeneuves Berufung zum Regierungschef jedoch auf breite Zustimmung. Der Sozialist mit dem schütteren Haupthaar und dem unauffälligen Aussehen eines braven Beamten gilt als einer der seriösesten Politiker seiner Partei.

Noch im Jahr 2012, als Staatschef Hollande ihn zum Europaminister ernannte, war er auch in Frankreich einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt. Doch das änderte sich, nachdem er erst zum Budgetminister und 2014 zum Innenminister aufstieg. Die nicht abreißen wollende Serie islamistischer Attentate rückte ihn in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, wobei der studierte Verwaltungsfachmann mit der Kaltblütigkeit und der Übersicht bestach, die er im Kampf gegen den Terror an den Tag legte.